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Der Traum des Kelten

Der Traum des Kelten

Titel: Der Traum des Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vargas Mario LLosa
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Obrigkeit, weder Polizei noch Richter, noch sonst jemanden. Die Vorsteher, Aufseher und ihre Helfer, die hier arbeiten, sind raue Männer, vom Urwald abgehärtete Abenteurer, oft Analphabeten. Manchmal greifen sie zu Methoden, die einen zivilisierten Menschen abstoßen, das weiß ich wohl. Wir tun, was wir können, glauben Sie mir. Señor Arana sieht das ganz wie Sie. Jeder, der irgendeinen Verstoß begangen hat, wird entlassen. Ich decke keine Ungerechtigkeiten, Señor Casement. Ich habe einen achtbaren Namen, bin ein praktizierender Katholik, meine Familie ist eine der angesehensten des Landes.«
    Roger dachte, dass Juan Tizón vermutlich glaubte, was er sagte. Sicherlich war er ein guter Mensch, der einfach nicht wusste oder nicht wissen wollte, was sich hier abspielte. Sicherlich verfluchte er den Tag, an dem Julio C. Arana auf die Idee gekommen war, ihn in diesen gottverlassenen Winkel der Erde zu schicken, wo er sich nun zahllosen Unannehmlichkeiten ausgesetzt sah.
    »Wir müssen zusammenarbeiten«, wiederholte Tizón etwas ruhiger und mit ausschweifenden Handbewegungen. »Was schlecht läuft, werden wir korrigieren. Die Angestellten, die sich Vergehen haben zuschulden kommen lassen, werden bestraft. Mein Ehrenwort! Ich bitte Sie nur, in mir einen Freund zu sehen, der auf Ihrer Seite steht.«
    Wenig später entschuldigte sich Tizón, er fühle sich nicht wohl, und mit einem Gutenachtgruß verließ er den Raum.
    »Gebrandmarkt wie Tiere?«, murmelte der Botaniker Walter Folk skeptisch. »Kann das wahr sein?«
    »Drei der vier Barbadier, die ich befragt habe, haben es mir versichert«, erwiderte Roger. »Stanley Sealy gibt an, in der Station Abisinia habe er es auf Befehl seines Chefs, Abelardo Agüero, selbst getan. Aber die Brandmarkung finde ich gar nicht das Schlimmste. Ich habe heute Nachmittag noch schaurigere Dinge gehört.«
    Das Essen rührte keiner mehr an, sie unterhielten sich aber weiter, bis die beiden Whiskyflaschen leer waren. Die Kommissionsmitgliederwaren schockiert über die Narben auf den Körpern der Eingeborenen und den Fußblock, den sie in einem der Kautschukschuppen von La Chorrera entdeckt hatten. In Anwesenheit des unangenehm berührten Tizón hatte Bishop ihnen erklärt, wozu dieser mit Seilen versehene Holzkasten diente. Durch die Löcher wurden die Hände und Füße des zu bestrafenden Eingeborenen gesteckt, so dass er hocken musste und weder Arme noch Beine bewegen konnte. Um die Qual zu verstärken, wurden die Löcher enger gestellt oder das Folterinstrument wurde mit Seilen in die Höhe gezogen. Bishop ergänzte, der Fußblock stehe in allen Stationen in der Mitte des Hauptplatzes. Sie fragten einen der im Lager arbeitenden Verständigen, wann die Vorrichtung in den Schuppen geschafft worden sei. »Am Vorabend Ihrer Ankunft«, lautete die Antwort.
    Sie beschlossen, dass die Kommission am nächsten Tag ebenfalls Philip Bertie Lawrence, Seaford Greenwich und Stanley Sealy anhören würde. Seymour Bell schlug vor, Tizón dazu einzuladen. Die Meinungen gingen auseinander, vor allem Walter Folk befürchtete, dass die Barbadier in Anwesenheit eines so ranghohen Vorgesetzten ihre Aussagen zurückziehen würden.
    In dieser Nacht tat Roger kein Auge zu. Er machte sich Notizen zu den Gesprächen mit den Barbadiern, bis das Öl in der Lampe ausging. Dann legte er sich in die Hängematte, nickte für Momente ein und wachte kurz darauf mit schmerzenden Gliedern und ungutem Gefühl wieder auf.
    Und die Peruvian Amazon Company war ein britisches Unternehmen! In ihrem Vorstand saßen beispielsweise Sir John Lister-Kaye, Baron von Souza-Deiro, John Russell Gubbins und Henry M. Read, allesamt in der Geschäftswelt und Londoner City sehr respektierte Persönlichkeiten. Was würden diese Kompagnons von Julio C. Arana sagen, wenn sie in dem Bericht, den er der Regierung vorlegen würde, zu lesen bekämen, dass das Unternehmen, das sie mit ihrem Namen und ihrem Geld legitimiert hatten, Sklaverei praktizierte,Kautschuksammler und Bedienstete mittels Treibjagden beschaffte, bei denen bewaffnete Schurken Männer, Frauen und Kinder einfingen und in die Kautschukstationen entführten, wo sie auf ruchlose Weise ausgebeutet, in den Fußblock gesteckt, mit Feuer und Messer gebrandmarkt und bis aufs Blut ausgepeitscht wurden, wenn sie nicht alle drei Monate mindestens dreißig Kilogramm Kautschuk ablieferten. Roger war im Londoner Geschäftssitz der Peruvian Amazon Company im Salisbury House gewesen.

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