Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Traum des Schattens

Der Traum des Schattens

Titel: Der Traum des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
Vom Netzwerk:
wahr?«
    » Ab jetzt kein Wort mehr«, sagte Hanna. » Hier sind überall Wächter, die uns weder sehen noch hören dürfen.«
    Sie schob die Königin durch die Tür und schloss hinter ihnen ab.
    Der laute Atem Eliras zerschnitt die Stille. » Die Königin weint um ihn«, flüsterte sie. » Ich träume bloß davon. Ich wische die Böden und singe, doch die Königin träumt, während sie am Grund des Flusses liegt und das Wasser über sie hinwegrauscht. Sie streckt die Hände aus nach ihrem Jungen. Er darf nicht verbrennen. Nicht er. Auch wenn alle anderen verloren sind, er darf nicht verloren gehen. Rettet ihn, Prinzessin! Ihr müsst ihn retten!«
    Sie hätte der Frau am liebsten ein Pflaster über den Mund geklebt. » Dort vorne ist eine Pforte. Du musst leider hierbleiben, Wolf.«
    Er schaute sie mit traurigen Augen an. » Ihr wird nichts geschehen, ich verspreche es.« Dann nahm Hanna Elira bei der Hand und schritt mit ihr hinüber in ihre eigene Welt.

19
    BUDAPEST, UNGARN
    Mattim hatte einen Grundriss der Burg vor sich liegen. Wo konnte Kunun Elira versteckt halten? Aus dem Gedächtnis zeichnete er Gänge, Treppen, Räume nach. Deren dicke Mauern waren für die meisten Schatten unüberwindbar.
    » Mattim? Telefon für dich!« Mónika unterbrach seine Grübelei. » Es ist Hanna«, sagte sie.
    Da erschrak er erst recht. Er nahm das Telefon entgegen, als könnte er sich daran verbrennen.
    » Du musst sofort herkommen.« Hanna klang panisch. Im Hintergrund waren seltsame Geräusche zu hören. Kämpfte sie mit jemandem? Was war das? » Ich hab keine Zeit für Erklärungen. Bitte komm sofort. Wir sind in der Fischerbastei, im Kreuzgang.«
    » Wir?«, fragte er. » Wer ist wir?« Doch da hatte sie schon aufgelegt.
    » Was ist passiert?«, wollte Mónika wissen.
    » Ich habe keine Ahnung. Dass Hanna sich auf einmal wieder an mich erinnert, kann es nicht gewesen sein. Besonders liebevoll klang sie nicht.« Ihm blieb nichts anderes übrig, als dem Ruf Folge zu leisten, wenn er erfahren wollte, worum es ging.
    Selten war ihm die Fahrt rüber nach Buda länger vorgekommen. Er rannte den Hügel hinauf, drängte sich durch Trauben von Touristen. Kurz darauf erhoben sich vor ihm das Burggelände und die Bastei. An einem der Fenster stand Hanna und sah hinaus auf die Donau. Die gelblichen Lichter waberten über dem Fluss und tauchten ihn in ihren Schein. Neben dem Mädchen kauerte sich eine Gestalt an die Mauer und wiegte sich leise summend hin und her.
    » Hanna?«, fragte er.
    Ihr Gesicht war ernst vor Sorge und Zweifel. » Sie ist die ganze Zeit schon so. Sie krallt sich an die Steine und will nicht weitergehen, und ich fürchte, man entdeckt uns jeden Moment. Wo soll ich sie nur hinbringen? Sie spricht die ganze Zeit von dir, daher dachte ich…«
    Es konnte nicht sein. Von Hanna starrte er zu der zusammengekauerten Frau. » Mutter?«, flüsterte er. Er kniete sich neben sie, berührte sie an der Schulter. » Mutter, was ist mit dir?«
    Elira wandte den Kopf und stieß einen Schrei aus. » Der goldene Prinz!«
    » Sie ist nicht ganz bei sich.« Hanna klang gehetzt, wie auf der Flucht.
    Er hätte wie sie befürchten sollen, dass Kunun gleich hier auftauchte, aber sein Herz sang vor Freude.
    » Was sollen wir mit ihr tun? Offenbar verträgt sie diese Welt nicht, aber ich will sie auch nicht zurück in die Burg bringen.«
    Es war ein solches Wunder… Er wusste gar nicht, wie ihm geschah. Eben noch hatte er versucht, sich einen Plan zurechtzulegen, und nun war seine Mutter hier. » Du hast sie gefunden und entführt? Und Kunun weiß nichts davon?«
    Hanna verriet Kunun. Sie, seine neueste Errungenschaft, seine Beute, seine ihres Gedächtnisses beraubte Geliebte– sie entriss ihm hinterrücks seine wertvollste Gefangene. Ohne mit der Wimper zu zucken.
    Ha!
    » Ich werde mit dir nicht über Kunun sprechen. Schaff sie weg und vergiss, dass ich etwas damit zu tun hatte.« Hanna wandte sich zum Gehen.
    » Warte!«, rief er ihr nach, die Arme um Elira geschlungen, die sich zitternd an ihn drückte. » Ich will sie in den Wald bringen, aber ohne dich komme ich nicht durch die Pforte.«
    Hanna zögerte. » Ist das klug? Kunun ist im Wald auf der Jagd.«
    » Wir werden ihm schon nicht über den Weg laufen. Bitte, Hanna. Ich hoffe, dass sie sich zu Hause beruhigt, aber allein gelange ich nicht auf die andere Seite, wie du weißt.«
    Das Wunder hielt an. Hanna war tatsächlich bereit, ihn zu begleiten. Sie rief sogar ein Taxi, um auf

Weitere Kostenlose Bücher