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Der Traum des Schattens

Der Traum des Schattens

Titel: Der Traum des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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Schlafmangel und dass ich hungrig bin…«
    » Dann sag es ihm!«, rief sie aus. » Sag ihm, dass du nicht die Absicht hast, gegen ihn anzutreten. Dass du diese Stadt weder brauchst noch willst und dass wir bloß Elira hergebracht haben.«
    » Oh, aber ich will sie«, widersprach er. Er kämpfte sich hoch und trat neben Hanna, um eine Rolle nach der anderen hervorzuziehen und sie kurz zu betrachten.
    » Wie bitte?«
    Er begutachtete die Buchrolle, die er gerade in der Hand hielt, und schob sie wieder zurück. So unglaublich, so unwiderstehlich menschlich war er, müde und elend, die Haare zerzaust, verschwitzt und staubig, dass sie sich fragte, wie Mirontschek ihn bloß für einen Schatten halten konnte.
    » Das ist nicht dein Ernst, oder? Ach, ich verstehe. Kunun hat Akink, also willst du wenigstens Jaschbiniad? Dafür willst du morgen einen Mann töten? Um mit deinem Bruder gleichzuziehen?«
    » Akink gehört Kunun«, sagte Mattim. » Doch diese Stadt ist voller Feinde.« Endlich hatte er eine Rolle gefunden, die ihn interessierte. Er ließ sich auf den Steinboden nieder und begann zu lesen.
    » Feinde, die du gegen Kunun einsetzen willst.« Jetzt endlich begriff sie, was er plante. » Du meinst, dass ich dir dabei tatenlos zusehe? Wir sind hier, um deine Mutter in Sicherheit zu bringen. Das tue ich auch für Kunun, was noch lange nicht bedeutet, dass ich dich gegen ihn unterstütze!«
    Er funkelte sie wütend an. » Dann tritt du doch gegen Mirontschek an.«
    Sie hatte keine Handhabe, um Mattim aufzuhalten. Vielleicht starb er morgen. Wenn er aber tatsächlich Fürst hier in den Bergen wurde– warum eigentlich nicht?– dann war sie ihn los. Er würde wohl kaum mit einer Armee aus bezopften Jaschbinern gegen Akink marschieren, sondern sich in seiner neugewonnenen Position einrichten und sich letztendlich damit zufriedengeben, an diesem Wabennest am Felshang festzusitzen.
    » Mach, was du willst«, schnaubte sie.
    Drei Dienerinnen traten ein, von denen die eine für die Verbeugungen zuständig war, während die zweite ein Tablett mit dem Abendessen und die dritte eine Waschschüssel und Handtücher trug. Furchtsam stellten sie die Sachen auf einem Tisch ab.
    » Wünscht Ihr noch etwas, Prinz?«
    » Ein paar Kissen wären schön«, meinte er. » In Akink machen wir es uns beim Lesen üblicherweise bequem.«
    Wenig später baute er sich ein Lager aus den üppigen Kissen, währenddessen prüfte Hanna die Speisen. Von Wein verstand sie nicht viel, daher nippte sie nur kurz daran und probierte dann das Fleisch und das knusprige, mit Kräuterbutter getränkte Brot.
    Mattim sah von seiner Lektüre auf. » Hast du etwa auch Hunger?«
    » Ich versuche herauszufinden, ob das Essen vergiftet ist. Mir würde es ja wohl nicht schaden. Aber ich schmecke nichts Verdächtiges heraus. Da sie uns beide für Schatten halten, werden sie sich die Mühe sowieso sparen.« Sie brachte ihm das Tablett und sah zu, wie er sich hungrig darüber hermachte. Am liebsten hätte sie ebenfalls zugegriffen, aber er brauchte ausreichend Nahrung, brauchte alles, um morgen stark genug zu sein.
    Ich will nicht, dass er stirbt, dachte sie. Wer auch immer morgen von der Brücke stürzt, bitte nicht er.
    Natürlich nur, weil er Kununs Bruder ist. Sozusagen mein Schwager. Er würde nicht im Ernst gegen Kunun kämpfen, oder? Auch nicht, wenn ihm ein paar tausend feindselige Bergsoldaten zur Verfügung stünden?
    » Kannst du Mirontschek nicht irgendwie verschonen? Ihn besiegen und am Leben lassen zum Beispiel?«
    Ein schmerzliches Lächeln wanderte über sein Gesicht. » Was kümmert dich das, Schattenprinzessin? Er hätte dich heute fast umgebracht. Wenn Kunun davon erfährt, wird er ihn eigenhändig töten, und zwar ohne mit der Wimper zu zucken.«
    » Ich weiß.«
    » Aber ich soll es nicht tun? Wo ist da der Unterschied?«
    Sie konnte es nicht sagen, doch es machte etwas aus. Kunun war der König, er hatte das Recht dazu, Mirontschek zu bestrafen. Außerdem war er ein Schatten, ein Jäger. Mattim dagegen… Sie konnte es nicht benennen, aber da war ein ganz deutlicher Unterschied. Er sollte es nicht tun, so einfach war das.
    » Du weißt, dass es nichts ändern würde, wenn ich Mirontschek die Wahrheit sage«, meinte Mattim leise. » Wenn ich ihm sage, dass ich ebenso Kununs Feind bin wie er… Warum sollte er mir das glauben? Er weiß, dass ich Akink erobert habe, wie jeder in Magyria. Ich kann es ja nicht einmal leugnen. Und nun bin ich hier in

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