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Der Traum des Schattens

Der Traum des Schattens

Titel: Der Traum des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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keine Chance habe. Aber erst haltet Ihr mir eine Möglichkeit vor die Nase, mein Leben zu retten, und dann?« Er beobachtete, wie Mattim sich um die neue Besucherin kümmerte und ihr die Haare aus dem Gesicht strich. » Das ist Eure Mutter?«, fragte er etwas leiser. » Die Königin des Lichts?«
    » Ich bin bloß eine Dienerin, mein Herr«, widersprach Elira. » Das Licht ist fort, und ich träume von dunklen Dingen. In meinem Traum verfinstert sich die Welt, und die Nacht fällt vom Himmel, direkt über den Fluss.«
    » Was habt Ihr bloß mit ihr gemacht?«, wollte Mirontschek wissen. Für das Entsetzen in seiner Stimme hätte Hanna ihm beinahe sein voriges Verhalten verziehen.
    » Die Dunkelheit ist ein Vogel, der seine Schwingen über uns breitet«, sagte sie. » Wisst Ihr nicht, wie der Reiher es macht? Er bewegt das Wasser, um die Fische aufzuschrecken, und dann steht er still wie ein Fels, bis sie zu ihm kommen, um sich in seinem Schatten zu verstecken. Sie flüchten zu ihm, ohne zu wissen, dass sie dem Tod in den Rachen schwimmen.«
    » Bringt sie weg«, flüsterte der Fürst, und als Mattim aufsprang, hob er beschwichtigend die Hände. » In ein angemessenes Quartier. Keine Sorge, selbst wir in Jaschbiniad wissen, was Gastfreundschaft bedeutet. Habt Ihr sie hergebracht, ins Exil, da ihre Anwesenheit in Akink Unruhe verursacht? Gibt es etwa immer noch Menschen, die den alten Zeiten nachtrauern und sich mit den neuen nicht abfinden mögen?« Er brauchte ein paar Sekunden, um alle Gefühle aus seinem Gesicht zu verbannen. » Das Duell… Gewährt Ihr mir noch eine Nacht? Ist es zu viel, darum zu bitten, damit ich einige letzte Dinge regeln kann?«
    » Die Bitte sei Euch gewährt«, sagte Mattim, der auf einmal ungeheuer erschöpft wirkte.
    Steif fügte Mirontschek eine Verbeugung hinzu. » Werte Dame, vergebt mir, dass ich Euch nunmehr allein lasse. Da Ihr nicht schlafen müsst, stelle ich Euch gerne einen Aufenthaltsraum zur Verfügung, der Euch Gelegenheit zur Zerstreuung bieten wird.«
    Die Diener führten die beiden in eine weitere Höhle, die nichts außer dem Namen mit dem gemeinsam hatte, was man sich unter einer Höhle vorstellt. Es war ein großes, hohes Gewölbe, dessen Wände durchlöchert waren. In jedem Loch steckte eine Rolle.
    Neugierig zog Hanna eine davon heraus. » Was ist das?«
    » Eine Bibliothek«, sagte Mattim. Seufzend schritt er durch den Raum. » Kein Bett– und nichts zu essen.« Er lehnte sich gegen einen Pfeiler. » Das ist die Strafe dafür, dass ich ihn in dem Glauben gelassen habe, ein Schatten zu sein.«
    » Wir könnten um etwas zu essen bitten«, meinte sie. » Das sollte kein Problem sein.«
    » Und Mirontschek die Gelegenheit geben, mich zu vergiften? Nein, danke. Ich weiß, dass dieser Kerl meinen Tod will.«
    Erschöpft ließ er sich auf den Boden sinken. » Ich hatte noch keine Gelegenheit, mich zu bedanken.«
    » Wofür?«
    » Dass du bereit warst, dich zu duellieren, damit er meiner Mutter hilft. Während ich…« Er barg das Gesicht in den Händen. » Ich habe ihn völlig falsch eingeschätzt. Wenn ich ihm gleich gesagt hätte, wer sie ist, hätte er alle seine Wachen losgeschickt, um ihr zu helfen. Die Königin des Lichts bedeutet ihm etwas– das habe ich nicht erwartet. Ich dachte, sie sei gefährdet, wenn ich verrate, dass sie Kununs Mutter ist. Nur weil ich gezögert habe, meine Identität preiszugeben, wäre sie fast ums Leben gekommen. Das war eine fatale Fehleinschätzung.«
    Hanna berührte vorsichtig einige der Rollen. Sie waren aus Leder, leider konnte sie die Runen darauf nicht lesen. » Wirst du wirklich morgen gegen Mirontschek kämpfen? Ich habe allen Grund, ihm zu grollen, aber die Vorstellung, dass du ihn umbringst, gefällt mir trotzdem nicht.«
    » Wer sagt denn, dass ich ihn umbringe? Mirontschek ist stark und gewandt, wie ich bereits feststellen durfte. Was meinst du denn, warum ich ihn provoziert habe? Ich weiß gerne so viel wie möglich über meinen Gegner, bevor es um alles geht.«
    » Du bist mir so wütend vorgekommen. Das war alles nur gespielt?«, fragte Hanna fassungslos.
    » Leider nicht mit dem Ergebnis, das ich mir gewünscht hatte. Wenn er sein ganzes Leben lang dafür trainiert hat, gegen Kunun anzutreten, lässt sich nicht voraussagen, wer von uns beiden morgen die Brücke lebend verlässt«, meinte Mattim nachdenklich. » Zumal er außerdem den Vorteil hat, dass er diese verdammte Brücke viel besser kennt als ich. Dazu der

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