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Der Traum des Schattens

Der Traum des Schattens

Titel: Der Traum des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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wildes Tier aus dem Hinterhalt.
    » Es ist mein linker Arm«, meinte er. » Ich werde trotzdem kämpfen.« Er lehnte sich schwer gegen Weiras, der den Fremden misstrauisch beäugte und die Zähne bleckte, sobald dieser näher kam. Sanft leckte er nur einen Moment später Mattim über die Schulter.
    » Ihr braucht einen Arzt.« Mirontschek winkte seinen Dienern. » Und gewiss habt Ihr nichts gegen einen Becher Wasser.«
    » Nein, danke.«
    » Ich werde Euch schon nicht vergiften.« Er nahm einer der Dienerinnen den Becher ab und nippte daran, bevor er ihn an Mattim weiterreichte. » Darauf mein Wort.«
    » Ich gebe nicht viel auf Euer Wort«, sagte Mattim.
    Der Fürst neigte den Kopf. » Dafür bitte ich Euch um Vergebung. Vielleicht habt Ihr ja trotz allem Verständnis dafür, dass ich meine Stadt beschützen wollte. Doch jetzt… ganz Jaschbiniad hat zugesehen, wie Ihr hergekommen seid. Ich werde mit Euch kämpfen müssen, ob ich will oder nicht. Ihr habt Euch das Recht auf dieses Duell verdient, unabhängig davon, was Prinz Kunun mit uns vereinbart hat.«
    » Ich weiß«, sagte Mattim. » Ich habe ein wenig in Eurer Bibliothek gestöbert, als ich beim letzten Mal hier war.«
    Mirontschek winkte einem Mann näher zu treten. » Der Heiler wird Euch nun den Arm verbinden.«
    Mattim ließ sich zu einem steinernen, mit Fellen bedeckten Podest geleiten und duldete es, dass der Jaschbiner den Pfeil aus der Wunde zog.
    » Er ist kein Schatten«, murmelte der Arzt.
    Mirontschek trat näher. » Den Eindruck habe ich auch.«
    » Ich habe nie behauptet, ich sei ein Schatten.« Mattim biss die Zähne zusammen, während der Heiler eine streng riechende Flüssigkeit auf seinen Arm tupfte. » Seid Ihr bald fertig?« Er holte tief Luft. » Diesmal kämpfen wir sofort. Ich werde Euch keine Zeit geben, eine Falle zu errichten.«
    Der Fürst stand immer noch vor ihm. Er war nervös, und obwohl er es meisterlich verstand, seine Furcht zu verbergen, verrieten ihn seine wippenden Füße. » Warum?«, wollte er wissen. » Ich weiß, ich habe nicht das Recht, Euch das zu fragen, aber ich wäre Euch dankbar, wenn Ihr mir eine Antwort gebt. Tag für Tag wird es dunkler. Die Finsternis ist wie ein Strudel, der alles in seiner Strömung mitreißt, hinein ins Zentrum, wo Akink liegt. Auch hier, am Rande der Dunkelheit, wird die Zeit allmählich knapp. Welchen Sinn macht es, jetzt noch diese Stadt unter Eure Herrschaft zu bringen, vorausgesetzt Ihr besiegt mich? Warum lasst Ihr uns nicht einfach in Würde untergehen, oder widerspricht das dem Moralkodex der Schatten? Das wollte ich von Euch wissen, und angesichts der Tatsache, dass Ihr gar kein Schatten seid, verstehe ich es noch weniger.«
    » Ihr habt gefragt, aber ich werde Euch nicht antworten«, sagte Mattim. Er nickte dem Heiler zu und zog seinen Arm zurück. » Das genügt. Ich will nichts Schmerzstillendes, das mich irgendwie betäuben könnte. Seid Ihr bereit, Fürst Mirontschek?«
    Der junge Fürst seufzte leise. » Vielleicht wollt Ihr Eure Mutter noch sehen, bevor Ihr sterbt?«
    » Ich werde nicht sterben«, erwiderte Mattim. » Holt Euer Schwert und lasst uns gehen.«
    Es war merkwürdig still im Hausflur. Hanna horchte, bevor sie schellte. Der schrille Klang der Klingel, der von innen zu hören war, verstummte schließlich. Alles blieb ruhig.
    Sie schloss die Augen, konzentrierte sich. Es musste klappen, schließlich hatte sie es schon einmal geschafft. Sie tastete nach der Tür, die Augen immer noch zu, und wollte die Hände in die Dunkelheit tauchen, doch die harte Tür widerstand ihr. Wütend versetzte sie ihr einen Stoß, und zu ihrer Überraschung schwang sie knarrend auf.
    » Attila?«, fragte Hanna. » Mónika?«
    Sie wusste sofort, dass niemand zu Hause war. Einen Menschen hätte sie gespürt.
    Dafür nahm sie hinter sich etwas wahr. Alarmiert fuhr sie herum– und ihre zum Schlag erhobene Hand wurde von Kununs Rechter aufgefangen.
    » Gott, hast du mich erschreckt!«
    Ohne eine freundliche Begrüßung trat er an ihr vorbei in die Wohnung. » Wo ist das Kind?«
    » Nicht da«, sagte sie.
    Sie zwang sich dazu, ruhig zu bleiben. Was tat er hier? Warum um alles in der Welt wusste er, wie wichtig Attila war?
    » Hast du schon überall nachgesehen?«, fragte er, drängte sich an ihr vorbei, öffnete die Türen.
    Das Schlafzimmer war leer. Das winzige Zimmer daneben gehörte Attila. Lautlos drückte Kunun die Klinke hinunter und stieß die Tür auf. Das Bett war verwaist, von dem

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