Der Traum des Schattens
Wut, während es hinter ihnen Kristallsplitter regnete.
Eine ganze Weile musste Mattim auf sie einreden, bis sie endlich stehenblieben und sich beruhigten. Mit vor Anstrengung zitternden Knien sprang er ab und lobte die Tiere überschwänglich. Obwohl er fühlte, dass er nicht allein war, drehte er sich nicht um, sondern schenkte seine Zuwendung den Pferden, als gäbe es nichts Wichtigeres auf der Welt. Er löste die Leinen und das Geschirr, klopfte ihnen auf die bebenden Flanken und flüsterte ihnen zärtliche Worte zu. » Ihr wilden Bestien«, lobte er sie. » Ihr wart unglaublich.«
Hinter ihm räusperte sich jemand. » Prinz Mattim.« Fürst Mirontschek blieb einige Meter entfernt von ihm stehen.
Mattim wartete, bis das Schweigen kaum mehr auszuhalten war, dann erst wandte er sich um. Zufrieden knabberte Weiras an seinem Umhang.
» Ihr schuldet mir noch ein Duell«, sagte Mattim. » Und diesmal werdet Ihr von der Brücke stürzen.«
Wenn man lange genug wanderte, wurde es fast schon wieder hell. Am Himmel war eine zarte Färbung, ein Hauch Dämmerung zu erkennen. Es war, als hätte die Nacht ein Zentrum, das Dunkelheit verströmte, und wenn man sich nur weit genug davon entfernte, geriet man irgendwann und irgendwie, nahezu zufällig, wieder ins Licht.
Der rote Wolf war immer in ihrer Nähe. Erst lief er vor Mónika her, dann wieder neben ihr und drängte sich gegen ihre Beine, bis sie die Hand auf sein Fell legte, doch immer wenn sie stehenblieb, stupste er sie an und trieb sie vorwärts.
Es war ein Traum. Es muss ein Traum sein, dachte Mónika, wie könnte es etwas anderes sein? Ein merkwürdiger Traum, in dem alles in der Schwebe hängt, in dem ich mit einem Wolf durch endlose Wälder renne, als wäre der Teufel hinter mir her.
» Wie weit soll ich denn noch laufen?« Der Wolf stieß sie an, freundlich, aber mit Nachdruck, als sie stehenblieb. » Wohin? Ich bin müde, weißt du?«
Es war derselbe Wolf, den sie schon einmal vor ihrer Haustür gesehen hatte. Damals hatte sie die Erscheinung auf den Alkohol geschoben. Jetzt blieb ihr nur die Erklärung, dass sie träumte. Aber wenn sie schlafend in ihrem Bett lag, warum taten ihr dann die Beine weh, und warum hatte sie Seitenstechen? Wie hätte ein Traum so duften können– nach Wald, nach Blättern und feuchter Erde, nach Rinde, Pilzen und den süßlichen fleischigen Blumen, die zwischen den Bäumen wucherten? Auch der Wolf roch überaus lebendig. Seine Augen waren schön und klug, sein Fell war weich und rau zugleich.
Sie hätte Angst vor ihm haben sollen, und tatsächlich hatte sie vor Schreck gekeucht, als er plötzlich neben ihr aufgetaucht und ihr so nah gekommen war, dass sie seinen heißen Atem auf ihrer Haut spürte. Sie hatte aufgeschrien, als er sich gegen sie lehnte, mit seinem ganzen Gewicht, bis sie hinfiel. Doch er hatte sie nicht gebissen, und sie hatte ihren ganzen Mut zusammengenommen und war nicht davongelaufen. Stattdessen hatte sie getan, was er verlangte. Er verstand es, seine Wünsche deutlich zu machen, und so war sie mit ihm gelaufen. Einmal hatte sie menschliche Stimmen gehört, lautes Rufen, aber ein Blick auf den Wolf hatte genügt, und sie hatte nicht geantwortet.
Vielleicht war es ein Fehler gewesen. Vielleicht hätten diese Menschen sie gerettet. Obwohl, mit Sicherheit waren es Schatten. Schatten in den Wäldern von Magyria, Kununs Leute, die sich dafür rächen wollten, dass sie Mária durch die Pforte gebracht hatte. Und Réka? Was würden sie dann erst mit ihrer Tochter anstellen?
Wenn irgendjemand ihr helfen konnte, dann Mattim. Nur war von ihm weit und breit nichts zu sehen, daher folgte sie dem roten Wolf, setzte einen Fuß vor den anderen.
Seufzend sank sie ins Moos. » Ich bin so müde.«
Er legte den Kopf auf ihre Knie. Wenn sie jemals einen Hund gehabt hätte, hätte sie ihn vielleicht besser verstanden. Möglicherweise hätte ihr das aber auch den Blick verstellt auf das, was er war: kein Hund, sondern ein Wolf.
Ich war ein Wolf, hatte Mattim ihr erzählt. Es steckt mir immer noch in den Knochen. Die Wölfe sind in meinen Träumen bei mir, und ich bin einer von ihnen.
Waren es Träume wie diese, und er hatte sie mitgenommen in seinen Traum?
» Bist du… Mattim?«, fragte sie leise.
Wenn er ein Mensch war, hätte er dann nicht den Kopf schütteln müssen? Er tat nichts dergleichen, nur seine Ohren zuckten, und seine Flanken hoben und senkten sich, während er atmete.
» Ich muss Réka suchen«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher