Der Traum
Félicien neben ihr erbebte bei dem Gedanken an all dieses Glück, das er jetzt für gesichert hielt. Dann kamen die Fragen des Rituale, die Antworten, die für das ganze Leben binden, das entscheidende Ja, das sie bewegt aus der Tiefe ihres Herzens, das er lauter, mit zärtlichem Ernst sprach. Das Unwiderrufliche war geschehen, der Priester hatte ihre rechten Hände ineinandergelegt und dabei gemurmelt: »Ego conjungo vos in matrimonium, in nomine Patris, et Filii, et Spiritus sancti.«120 Doch es mußte noch der Ring gesegnet werden, welcher das Sinnbild der unverletzlichen Treue, der Ewigkeit des Ehebandes ist; und das währte lange. Über dem goldenen Ring in der Silberschale beschrieb der Priester mit dem Weihwedel ein Kreuz. »Benedic, Domine, annulum hunc ...«121 Dann reichte er ihn dem Gatten, um ihm zu bedeuten, daß die Kirche sein Herz, in das keine andere Frau mehr Einzug halten dürfe, versiegelte und verschließe; und der Gatte steckte ihn der Gattin an den Finger, um ihr seinerseits kundzutun, daß von nun an unter den Männern er allein für sie vorhanden sei. Es war das Symbol der engen Vereinigung, die ohne Ende war, das sie zum Zeichen der Abhängigkeit trug, das ihr beständig die geschworene Treue ins Gedächtnis rufen würde; es war das Symbol auch für die Verheißung einer langen Reihe gemeinsamer Jahre, als verbände dieser kleine Goldreif sie bis zum Grabe miteinander. Und während der Priester sie nach den Schlußgebeten noch einmal ermahnte, lächelte Angélique das helle entsagungsvolle Lächeln einer Wissenden.
Die Orgel rief jetzt Abbé Cornille, der sich mit den Geistlichen zurückzog, laut ihren Jubel nach. Unbeweglich in seiner Erhabenheit, senkte der Bischof seine sehr sanft dreinblickenden Adleraugen auf das Paar. Die Huberts, die immer noch auf den Knien lagen, blickten auf, blind von Tränen des Glücks. Und die ungeheure Tonfülle der Orgel rollte dahin, verlor sich in einem Hagel kleiner heller Töne, die gleich der Lerche Morgenlied von den Gewölben herniederregneten. Ein langes Erbeben, eine gerührte Unruhe war durch die Menge der Gläubigen gegangen, die im Schiff und in den Seitenschiffen dichtgedrängt standen. Die mit Blumen geschmückte, von Kerzen funkelnde Kirche strahlte vor Freude über diese Spendung des Ehesakraments.
Dann folgten noch zwei Stunden erhabenen Gepränges, das Hochamt mit dem Schwenken der Weihrauchfässer. Der Celebrans122 war erschienen, angetan mit dem weißen Meßgewand, begleitet vom Zeremoniar, den beiden Rauchfaßträgern, die das Rauchfaß und das Schiffchen hielten, den beiden Akolythen, die die großen angezündeten Goldleuchter trugen. Und die Anwesenheit des Bischofs erschwerte den Ritus, die Begrüßungen, die Küsse. Alle Augenblicke ließen Verneigungen, Kniebeugen die Flügel der Chorhemden aufflattern. Aus den mit Schnitzereien verzierten alten Chorstühlen erhob sich das Domkapitel; zu anderen Malen war es gleichsam ein Odem des Himmels, der die Geistlichkeit, deren Menge die Apsis erfüllte, mit einem Schlage anbetend niederwarf. Der Celebrans sang vor dem Altar. Dann schwieg er, ging und setzte sich, während nun der Chor lange weitersang, feierliche Phrasen der Vorsänger, zarte Chorknabentöne, leicht, ätherisch wie Erzengelflöten. Eine sehr schöne, sehr reine Stimme erhob sich, eine köstlich anzuhörende Mädchenstimme, die Stimme von Fräulein de Voincourt, wie man sagte, die bei dieser Wunderhochzeit hatte singen wollen. Die Orgel, die sie begleitete, ließ einen mächtigen gerührten Seufzer hören, hatte die heitere Ruhe einer gütigen und glücklichen Seele. Bisweilen entstand jähe Stille, dann brach die Orgel in großartigen Wirbeln von neuem los, während der Zeremoniar die Akolythen mit ihren Leuchtern zurückbrachte, die Rauchfaßträger zum Celebrans führte, der den Weihrauch in den Schiffchen segnete. Und alle Augenblicke wurden die Rauchfässer emporgeschwungen, mit dem funkelnden Aufblitzen und dem silberhellen Geklirr der Kettchen. Eine wohlriechende Wolke blaute in der Luft, man beweihräucherte den Bischof, die Geistlichkeit, den Altar, das Evangelium, jede Person und jedes Ding der Reihe nach, bis hin zu den unergründlichen Massen des Volkes, mit drei Schwüngen, nach rechts, nach links und nach vorn.
Indessen lauschten Angélique und Félicien auf Knien andächtig der Messe, welche die geheimnisvolle Vollziehung der Ehe zwischen Jesus und der Kirche bedeutet. Man hatte jedem von ihnen eine Kerze in
Weitere Kostenlose Bücher