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Der Traumhändler

Der Traumhändler

Titel: Der Traumhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Augusto Cury
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würde. Im Grunde genommen war er nämlich süchtig, so wie Honigschnauze süchtig nach Alkohol war, ich nach meinem Ego und Engelshand nach Gaunerstückchen. Wir waren alle auf Droge.

Der Zwangsneurotiker
    W ir waren weder eine Sekte noch eine politische Splittergruppe oder Partei. Wir gehörten auch keiner Stiftung oder irgendeiner anderen offiziellen Organisation an. Wir bekamen keinerlei staatliche Unterstützung und wussten weder, wo wir schlafen, noch was wir essen würden. Wir waren abhängig von den spontanen Spenden der Passanten und duschen konnten wir manchmal in Obdachlosenunterkünften. Wir waren ein Haufen Träumer, die die Welt verändern wollten, zumindest unsere Welt. Und es war völlig offen, ob wir das schaffen oder womöglich das Chaos noch vergrößern würden. Doch ich begann, das Leben wunderbar zu finden und unsere Wanderschaft als angenehmes soziologisches Experiment zu sehen, trotz der vielen unbekannten Größen darin.
    Durch die mediale Berichterstattung wurde der Meister auf der Straße immer häufiger von Leuten erkannt, die ihm auf der Suche nach Rat von ihren Problemen erzählten. Freudig hörte er ihnen teilweise stundenlang zu und ermunterte sie dann, Entscheidungen zu treffen und mutig das Risiko einzugehen, nicht nur zu gewinnen, sondern manchmal auch enttäuscht zu werden.
    Nach und nach gewann er weitere Jünger, von denen einer interessanter war als der andere. Die Schwalben lernten fliegen in einem System, das ihre Flügel stutzen wollte. Doch wir lernten auch, keine großen Zukunftspläne zu machen, da die Zukunft niemals in unserer Hand liegt. Das Leben war uns ein Fest, auch wenn der Wein immer zur Neige ging.
    Wir lernten, alte Leute zu küssen und dabei die Spuren der Zeit zu spüren. Wir lernten, auf Kinder zu achten und uns an ihrer Naivität zu erfreuen. Wir lernten, mit Bettlern zu reden und durch ihre unglaublichen Welten zu reisen. Katholische Priester und Nonnen, evangelische Pastoren, Menschen muslimischen und buddhistischen Glaubens, depressive, selbstmordgefährdete und phobische Individuen – wir waren von unzähligen wunderbaren, höchst interessanten Persönlichkeiten umgeben, die in den Statistiken der Soziologen nichts als eine Nummer sind.
    Ich meinerseits lernte, mich in andere einzufühlen und Empathie zu empfinden, auch wenn mein Egoismus noch nicht verschwunden war, sondern nur schlummerte. Wie viele namenlose Menschen, simple Statisten, hatte ich schon in Actionfilmen sterben sehen, ohne dass ich je einen einzigen Gedanken daran verschwendet hätte, dass jeder Namenlose eine ganze Lebensgeschichte voller Ängste und Liebe, Mut und Feigheit mit sich herumträgt! Für den Meister gab es in der wahren Welt keine Statisten. Er half den Elenden auf und lud sie ein, seine engsten Freunde zu werden. Bei ihm fanden die Outsider des Systems Beachtung.
    Doch gerade, als ich mir einbildete, nach dem Vorbild des Meisters überaus sensibel geworden zu sein, lief mir ein »Statist« über den Weg und machte mir bewusst, dass mein Mitgefühl erst ein zartes Pflänzchen war und noch sehr oft gegossen werden musste.
    Wir befanden uns auf der Avenida Kennedy und sahen plötzlich einen jungen, vielleicht zwanzigjährigen Mann dunkler Hautfarbe. Er hieß Salomon Salles und verhielt sich so merkwürdig, dass sogar die Kinder ihn anstarrten. Er bewegte den Kopf derart hektisch in alle Richtungen, dass sich dabei auch seine Trapezmuskeln ständig hoben und sanken. Dabei zwinkerte er immerzu mit den Augen. Vor jeder Tür machte er drei Hüpfer, bevor er durch sie hindurchging, da er der Ansicht war, dass jemand aus seiner Familie sterben würde, wenn er das nicht tat. Kurz und gut: Er litt unter einer schweren obsessiv-kompulsiven Störung.
    Die bizarrste all seiner Zwangshandlungen bestand jedoch darin, dass er kein Loch in einer Wand, auf dem Boden oder in Möbeln sehen konnte, ohne nicht seinen rechten Zeigefinger hineinzustecken. Als wir ihn entdeckten, hockte er gerade auf dem Gehsteig und steckte seinen Finger in die Ritzen zwischen den Gehwegplatten.
    Die Passanten machten sich über ihn lustig, und ich muss zugeben, dass auch wir uns nicht zurückhalten konnten. Wir versuchten zwar, uns das Lachen zu verkneifen, waren aber davon überzeugt, jemanden vor uns zu haben, der noch gestörter war als wir alle zusammen. Dem Meister missfiel unsere Reaktion. Er wandte sich zu uns um und fragte: »Was glaubt ihr: Ist dieser junge Mann schwächer oder stärker als wir?

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