Der Traummann aus der Zukunft (German Edition)
Bettler psychisch nicht mehr beisammen war. Trotzdem löste er die innere Verkeilung. Tränen schossen aus Emilias Augen. Sie setzte sich auf die nächstbeste Parkbank, zog die Beine nach oben, vergrub das Gesicht zwischen den Knien und weinte. Zum Glück haben die meisten Leute Respekt vor einer schluchzenden Person. Niemand sprach sie an.
Irgendwann war Emilia leer geweint. Sie stand auf und trat den Heimweg an, einfach indem sie einen Fuß vor den anderen setzte. Es funktionierte.
Wie tröstlich es sich anfühlte, wieder in dem großen Bett im Schlafzimmer zu liegen. Das Zimmer zeigte nach hinten zu einem grünen, offenen Hof. Hier war es ruhig, gewohnt und vertraut. Emilia nahm zwei Schlaftabletten, diesmal nicht gegen Bernhard, sondern gegen Miguel und ihre dummen Fantasien und schlief sofort ein.
10:00
Hilda: Wie wars? Wie wars? Wie wars?
11:31
Hilda: Na, du schläfst wohl deinen Rausch aus. Meld dich!
13:03
Hilda: Oder gar nicht zu Hause…?
17:10
Hilda: Unvorhergesehene Zwischenfälle?
20:21
Hilda: Irgendwas ist schief gegangen… Dann musst du dich erst recht melden! Und zwar heute noch. Sonst mach ich mir ernsthaft Sorgen!
Emilia:
Liebe Hilda,
Nein, gar nichts ist schief gegangen. Die Dinge nehmen einfach ihren ganz normalen Lauf und wer die Welt gern anders haben will, grüner, roter oder blauer, der kann nur verlieren. So wie ich.
Natürlich hast du recht gehabt. Ich habe mich in den totalen Blödsinn reingesteigert und gestern die Rechnung dafür erhalten. Eine saftige Rechnung. Dieser Miguel war natürlich nicht wegen mir da, sondern zusammen mit seiner Neuen. Wie sie aussieht, kannst du dir selber denken. Natürlich schön und natürlich einen Kopf größer als ich. So einer nimmt keine frustrierte Ehefrau mit einer Leiter. Auch darin hast du Recht gehabt. Du hast eben immer Recht, weil du realistisch bist, weil du zufrieden sein kannst mit der Welt, wie sie ist. Aber wie macht man das? Wahrscheinlich hat man keine Chance, wenn es nicht angeboren ist. Naja, aber eigentlich will ich nicht jammern. Ich hab mich gestern schon auf einer Parkbank leer geheult. Und heute den Tag im Bett verbracht. Und jetzt stehe ich kurz auf, mache mir ein Käsebrot, vergesse die ganze Geschichte und lebe mein Leben, wie es ist, versprochen.
Bernhard kommt gerade zurück von seinem Treffen in Kassel. Dann bis Morgen also.
Deine Emilia
Auf Bernhards Gesicht machte sich ein Lächeln breit, als er Emilia im Schlafzimmer vorfand.
„Hallo…Schatz…Schön, dass du wieder da bist!“ Emilia versuchte aufgeräumt und guter Dinge zu klingen.
Bernhard setzte sich auf die Bettkante. Emilia klappte ihr Laptop zu und lächelte ihn an. Er umarmte sie und gab ihr einen Kuss. Die Umarmung fühlte sich gut an, irgendwie tröstend, als wäre Emilia nach langer Krankheit endlich auf dem Weg der Genesung.
Bernhard erzählte begeistert von seinem Treffen. Er glaubte, dass Emilia eine Midlifecrisis hatte. Bei manchen Frauen kam das eben früher, besonders, wenn sie eigentlich ein zufriedenes Leben besaßen und um nichts mehr kämpfen mussten. Emilia fehlten kleine Erfolge, analysierte er. Das mit der Wohnzimmergestaltung war schließlich auch ein Misserfolg. Bernhard schlug vor, dass er sich morgen freinehmen könnte und ihr helfen würde, das Zimmer wieder weiß zu streichen. Emilia nickte und ließ zu, dass Bernhard mit ihr schlief.
Eigentlich war es doch ganz einfach mit dem ganz normalen Leben, während Bernhard auf ihr herumrackerte, als sei er aus der Übung gekommen und sie an die Decke starrte. Man musste nur still halten und es über sich ergehen lassen.
Hilda: Was? Du hast dein Zimmer aufgegeben? Und jetzt streicht ihr es auch noch wieder weiß? Emilia, du verstehst das einfach nicht mit dem Realismus im Leben. Das ist nicht realistisch, was du da jetzt machst. Das ist masochistisch und durch und durch dumm!“
„Na und“, antwortete Emilia nur. Das war schon viel. In den letzten Tagen hatte sie gar nicht auf Hildas Emails reagiert.
Bernhard schien froh darüber, dass Emilia wieder das gewohnte Leben mit ihm aufgenommen hatte. Trotzdem beschwerte er sich, dass Emilia so wortkarg war, dass sie kaum zuhörte, und dass sie mit ihren Gedanken immer im Nirgendwo schien. Emilia fiel es schwer, so zu sein, als wäre nie was gewesen. Sie schaffte es, die Gefühle für Miguel komplett zurück zu drängen, aber nur, wenn sie auch sonst nichts groß dachte oder fühlte.
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