Der Traummann aus der Zukunft (German Edition)
sein. Sie stand auf dem kleinen Hinterhof und schaute zu den Fenstern hoch. Die meisten waren noch voller Baustaub. Nur die in der vierten Etage waren bereits geputzt. Sollte Emilia wirklich hochgehen? Natürlich, deshalb war sie ja hier. Emilia nahm zwei Stufen mit einmal. Hatte der Sport etwa schon gewirkt? Sie fühlte sich so leicht. Und dann stand sie vor der schön aufgearbeiteten und mit Klarlack versehenen Wohnungstür im vierten Stock. Über der Klingel hing ein provisorischer Zettel: Miguel Weingarten .
Zum ersten Mal sah Emilia Miguels Handschrift. Sie war leicht nach rechts geneigt und geschwungen. Keine krakelige Psychoten-Schrift, wie sie viele Männer hatten, Bernhard eingeschlossen. Miguels Schrift wirkte gleichmäßig und ausgeglichen. Emilia lauschte an der Tür. Ob er Zuhaue war? Unwahrscheinlich an einem Dienstag um die Mittagszeit. Beim Lauschen stieß sie mit der Nase gegen den Spalt zwischen Türblatt und Rahmen, aber es roch nach nichts Individuellem, nur nach frisch bearbeitetem Holz und Lack. Kurzerhand riss Emilia den Zettel mit Miguels Namen von der Klingel und steckte ihn ein. Der Ausflug hatte sich gelohnt. Jetzt besaß sie endlich was ganz Persönliches von IHM.
Gerade als sie ihre Beute auf dem Hof noch einmal aus der Tasche holen wollte, kam jemand schnellen Schrittes aus der Toreinfahrt des Vorderhauses, blätterte dabei ein paar Briefe durch, sah kurz auf, nickte zum Gruß, lächelte, vertiefte sich wieder in die Post und fegte an ihr vorbei Richtung Hinterhaus. Miguel Weingarten. Die Tür des Hinterhauses fiel zu. Emilia konnte sich einige Bruchteile von Sekunden nicht von der Stelle rühren, weil ihr der Schreck in allen Gliedern saß. Was wäre passiert, wäre er nur eine Minute früher gekommen oder sie eine Minute später? Dann hätte sie gerade vor seiner Tür gestanden und sie hätten sich nicht ausweichen können…! Mist, warum war sie nur…. Aber dann fiel es Emilia wieder ein: Natürlich, es konnte nur genauso passieren, wie es passiert war. Emilia brauchte sich nicht mit „Wenn“ und „Hätte“ herumplagen. Sie würden sich nicht begegnen vor der Zeit. Das war die Regel des Schicksals: Es war immer noch so. Es war schräg, aber genau deshalb musste Emilia dran bleiben.
Betreff: Lächel-Modus
Hi Hilda,
wir verharren im Lächel-Modus. Habe Miguel in seinem Haus getroffen, im Hof, er hat kurz hochgesehen, gegrüßt und gelächelt. Er hat mich bewusst wahrgenommen, aber er hat mich nicht wiedererkannt. Es war dieses Lächeln, was man Fremden aus reiner Höflichkeit schenkt, während man in Wirklichkeit durch sie hindurch blickt. Naja, es geht eben noch nicht anders bei uns. Bin trotzdem gespannt auf das nächste Level. Ich gehe jetzt dreimal die Woche ins Nautilus-Fitnesscenter zum trainieren. Wenn du es nicht glaubst, kann ich dir meine Mitgliedskarte zeigen…
Deine Emilia
Zuhause versuchte Emilia mit ihrem Verhältnis zu Bernhard wieder auf den Stand zu kommen, auf dem sie bereits vor dem Konzert war. Diesmal entschied sie sich für die sanftere Tour. Sie täuschte am ersten Tag Migräne vor, um auf dem Sofa im Wohnzimmer zu schlafen. Sie räumte ihr Laptop manchmal auf seinen gewohnten Platz auf der Schlafzimmerkommode, um keinen Verdacht zu erregen. Der Fernseher war nach der Rückstreich-Aktion zum Glück noch in Jos Zimmer geblieben und keiner störte sich dran. Jo guckte nun in seinem Zimmer Filme, wenn er sie in Großformat sehen wollte und Bernhard war nicht mehr auf die Idee gekommen, zusammen mit Emilia einen Film anzusehen, seit er mit seinem Großprojekt beschäftigt war. Emilia erklärte die Wohnstube wieder heimlich zu ihrem Zimmer. Nachdem sie zwei Tage wegen Migräne dort geschlafen hatte, kam ihr eine Erkältung zur Hilfe. Bernhard mochte nicht, wenn sie wegen verstopfter Nase neben ihm schnarchte. Unter diesen Umständen hatte sie schon immer im Wohnzimmer geschlafen.
Seit Miguel in Emilias inneres Leben zurück gekehrt war, konnte sie nicht verstehen, wie sie sich mit Bernhard körperlich wieder so nah hatte kommen können. Wie hatte sie das nur gemacht? Es kam ihr fast so vor, als wohnten zwei Emilias in ihr, die sich irgendwie nicht richtig miteinander absprachen. Und wie sollte es nach dem Schnupfen weitergehen? Emilia wusste es noch nicht. Sie lebte von Tag zu Tag und vertraute einfach auf das Schicksal. Sie hoffte, so lange wie möglich im Modus dieser Zuversicht zu bleiben.
Von Ikea war eine Antwort gekommen. Man lud sie in
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