Der Traurige Polizist
Stative und Sonys bereit
zu haben, wenn es losging.
Madame Lowe wartete geduldig, dann wandte sie ihnen ihren Rücken zu und ging hinüber zu der Stelle, die Joubert ihr nur widerwillig
gezeigt hatte. Die Blutflecken, die verrieten, wo Jimmy Wallace gelegen hatte, waren matt und schwarz wie die vielen Ölflecken
auf dem Asphalt.
Sie zog Wallaces blutiges weißes Hemd aus der Plastiktüte, schloß theatralisch die Augen und drückte das Kleidungsstück an
ihre Brust. Ihr Körper wurde stocksteif, sie stand ganz still.
Joubert vernahm ein unwirkliches Geräusch, ein langes, monotones Summen. Ihm wurde klar, daß es aus dem Mund der Frau drang.
»Mmmmmmm…« Ein einzelner, unmelodiöser Ton. Sie machte immer weiter, während sie still stehenblieb, den Rücken gerade in dem
einfachen, modischen Kleid.
»Mmmmmm…«
Joubert fragte sich, ob de Wit sie gut kannte.
Ein alter Freund
, hatte Anne Boshoff aus der
Cape Times
zitiert.
Sie wären ein sehr eigenartiges Paar, dachte er. Die große, sinnliche Frau und der kleine, häßliche Mann.
Nein, Anne Boshoff hatte gesagt, daß de Wit an der Uni nie jemanden auch nur angelächelt hatte.
»Mmmmmmmm…«
Er hatte Mühe, ein Bild aus seinem Geist zu verdrängen: |345| Die Madame lag nackt auf dem Rücken bei sich zu Hause in einem gruseligen Zimmer mit Spinnweben im Leuchter und einer schwarzen
Katze vor dem Kamin. Und Bart de Wit grinste, während er mit ihren großen Brüsten spielte, indem die Madame dieses unnatürliche
Geräusch von sich gab.
»Mmmmmmm…«
Wieso dachte er schon wieder an Sex? Plötzlich zog sich sein Magen zusammen. In Erwartung seines möglichen Abends mit der
Psychologin? Hoffte er irgendwo tief in seinem Hinterkopf, daß er die Chance bekam, ihren zerbrechlichen Körper mit seinen
großen Händen zu streicheln, ihre kleinen, winzigen Brüste in seine Hände zu nehmen? Sie zärtlich auf ihren hübschen, lippenstiftlosen
Mund zu küssen, seine Hände auf ihre Schultern zu legen, sie zärtlich zu berühren …
Madame Jocelyn Lowe atmete hörbar aus. Ihre Schultern sackten müde herunter, ihre Hände lösten sich mitsamt dem Hemd von ihrer
Brust, sie beugte den Kopf. So stand sie eine Weile da, die Zeit verging, und die Presse trat unsicher von einem Fuß auf den
anderen.
»Es reicht nicht«, sagte sie erschöpft. »Wir müssen es woanders versuchen.«
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Der Autokonvoi fuhr von Tatort zu Tatort, die Madame und ihr schwarzer Chauffeur vorneweg in einem Mercedes-Benz, dann die
Detectives in ihrem Sierra und schließlich eine Karawane Pressefahrzeuge – von den Minibussen der Fernsehteams bis zu den
Kleinwagen der Zeitungsreporter.
Während die Madame sich bemühte, die Schwingungen von Ferdy Ferreiras letzten Augenblicken zu empfangen, machte sich Joubert
im Old Ship Caravan Park auf die Suche nach einer Telefonzelle. Er schlug in dem zerfledderten Buch die Nummer von Computickets
nach und wählte. Sie bestätigten ihm, daß
Der Barbier von Sevilla
tatsächlich am Freitagabend aufgeführt wurde. Ebenso am Samstag sowie dem folgenden Mittwoch, Freitag und Samstag.
Er fragte, ob es noch Plätze für die Aufführung am Freitag gebe.
Das hänge davon ab, ob er teure oder billige Sitze wolle.
»Nur die besten«, sagte er.
»Es sind noch etliche teure Plätze frei. Wenn Sie mir Ihre Kreditkartennummer durchgeben …«
Er zögerte einen Augenblick. Wenn Hanna Nortier nicht mit ihm ausgehen wollte … Er sah sich und Benny Griessel zwischen den
anderen Opernbesuchern sitzen, zwei verdammte Polizistenidioten, die sich Sopran und Libretti und |347| solche Sachen anhörten. Dann aber entschied er sich, positiv zu denken. Wer nicht wagt …
Er reservierte zwei Plätze, legte auf und fuhr dann wieder zurück ans Meer, wo die Madame immer noch »Mmmmmm…« machte.
»Ich konnte einige interessante Beobachtungen anstellen, aber Sie müssen mir etwas Zeit geben. Damit ich meine Gedanken ordnen
kann. Das kann ich tun, während wir zum Hotel zurückfahren. Wollen wir uns um sechs Uhr zu einer kleinen Pressekonferenz treffen?«
Die Journalisten beschwerten sich, waren aber in Geduld geübt. Sie packten ein und gingen wieder zurück zu ihren Autos, die
ordentlich auf dem Parkplatz in Strandnähe standen.
»Die größte Verarscherin der Welt«, sagte O’Grady im Gehen.
Joubert sagte nichts. Er hielt die Kleidungsstücke, die Madame zum Arbeiten gebraucht hatte, und dachte an seine Sehnsucht
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