Der Traurige Polizist
Fortschritten aussieht?«
Joubert war irritiert. Er hatte de Wit an den Tatort gerufen, weil es das übliche Vorgehen bei allen Morden war, die ein hohes
öffentliches Interesse befürchten ließen. Doch nun interpretierte der Mann es ganz anders.
»Äh … wenig, Colonel. Das Opfer unterhielt mit Sicherheit außereheliche Beziehungen. Wir werden heute überprüfen, ob es irgendwo
einen eifersüchtigen Ehemann gibt. Vielleicht jemanden in seinem Büro …«
»Das können Sie vergessen«, unterbrach ihn de Wit. »Wie ich der Presse letzte Nacht schon mitgeteilt habe, handelt es sich
hier um die Arbeit eines chinesischen Drogenrings … Guter Artikel heute morgen im
Burger
. Wenn Sie nur tief genug in den Hintergrund des Opfers eindringen, werden Sie die Verbindung finden. Ich glaube, die Ermittlungen
können nur davon profitieren, wenn Sie auch die Drogenfahndung hinzuziehen, Captain. Vergessen Sie Ihre Theorie mit dem eifersüchtigen
Ehemann. Interessanterweise hatten wir letztes Jahr beim Yard zwei ähnliche Morde …«
De Wit wandte seinen Blick von Joubert ab. Joubert hörte nicht weiter zu. In seinem Inneren breitete sich ein unangenehmes
Gefühl aus, als würde ein Insekt durch seinen Darm kriechen.
Nach der Morgenparade rief er zögernd beim diensthabenden Officer des Sanab – des SA Narcotics Bureau – an.
|54| »Wen habt Ihr denn diesmal abbekommen, Joubert?« fragte die Stimme am anderen Ende. »Einen Clown? Cloete aus der Presseabteilung
hat gerade schon bei mir angerufen und gefragt, ob de Wit mit mir gesprochen hätte. Cloete ist irre wütend, weil Euer neuer
Boß selber mit den Zeitungen plaudert. Cloete will wissen, ob er sich jetzt zur Ruhe setzen und fischen gehen kann. Und was
ist das für ein Schwachsinn mit der chinesischen Mafia?«
»Diese Theorie basiert auf vorhergehenden Erfahrungen meines Vorgesetzten, Colonel. In diesem Stadium müssen wir alle Möglichkeiten
in Betracht ziehen.«
»Kommen Sie mir doch nicht mit solchen Rauchschwaden, Joubert. Sie decken doch nur de Wit.«
»Colonel, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie und Ihre Männer die Mordkommission über alles auf dem laufenden halten können,
was diese Möglichkeit erhellt.«
»Oh, jetzt verstehe ich. Es ist ein Befehl von oben. Nun gut, mein Beileid, Joubert. Wenn wir in den nächsten zweihundert
Jahren einen chinesischen Schmugglerring ausheben, lasse ich es Sie als allerersten wissen.«
Der ermittelnde Officer hatte bei der Obduktion anwesend zu sein. Das war die Regel. Und die Tradition – egal, in welchem
Zustand sich die Leiche befand.
Joubert hatte das nie gemocht, nicht einmal in der guten alten Zeit, aber er hatte eine Mauer errichten können zwischen sich
und dem unangenehmen Vorgang, der immer und immer wieder auf dem Marmortisch in dem weiß gekachelten Saal in Salt River durchgeführt
wurde, wo die Toten die letzten Überreste ihrer Würde verloren.
Nicht, daß Professor Pagel seine Skalpelle und Klammern, |55| Sägen und Zangen respektlos durch Haut, Gewebe und Knochen bohrte. Im Gegenteil, der staatliche Leichenbeschauer und seine
Mitarbeiter vollbrachten ihre Arbeit mit der Ernsthaftigkeit und Professionalität, die ihr gebührte.
Doch Laras Tod hatte alle Mauern niedergerissen. Denn Joubert wußte, daß sie auch hier gelegen hatte; nackt, auf dem Rücken,
sauber und steril, ihr Körper der Welt ausgeliefert, vollkommen nutzlos. Das Blut wurde von ihrem Gesicht gewaschen, nur die
kleine, sternförmige Eintrittswunde war zwischen Haaransatz und Augenbrauen noch zu sehen. Ein Leichenbeschauer erklärte einem
Detective, daß dies typisch sei für einen Schuß aus nächster Nähe, einen brutalen Mord, bei dem der Lauf der Waffe auf der
Haut ruhte. Die komprimierten Gase aus dem Lauf der Waffe drangen unter die Haut und dehnten sich plötzlich aus wie ein Ballon,
der platzte, und so wurde einem der Stern des Todes verliehen, den man so oft bei Selbstmorden sah … Allerdings nicht in Laras
Fall. Sie verdankte den Stern einem anderen.
Jedesmal wenn er durch den kalten, gefliesten Flur des Leichenschauhauses in Salt River ging, spielte sein Hirn ihm diese
Szene vor, eine makabre Wiederholung, die er nicht ausblenden konnte.
Pagel wartete in seinem kleinen Büro mit Walter Schutte, dem Geschäftsführer von Quickmail. Joubert stellte sich vor. Schutte
war von normaler Größe und hatte eine tiefe Stimme und Haar, das aus jeder denkbaren Öffnung sproß
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