Der Traurige Polizist
langsam über seine Wange, bis zu dem schwarzer Schnauzbart auf seiner Oberlippe.
»Ich …«
Dann drang die Kugel in seinen Schädel, der Herzschlag stoppte, die Blutgefäße zogen sich zusammen, die Lunge kollabierte
– das Adrenalin war verschwendet.
Die Funkzentrale weckte Mat Joubert um 4.52 Uhr. Seine Stimme war heiser, der Mund trocken. Er suchte ungeschickt nach Zettel
und Stift, als die Frau zu sprechen begann. Sie gab ihm die Fakten mit neutraler Stimme durch – Adresse, Geschlecht, wer benachrichtigt
worden war.
»Sieht nach mehr Chinesen aus, Captain. Eine in den Kopf, |128| eine in die Brust«, setzte sie in normalem Gesprächston hinzu und verabschiedete sich dann. Er murmelte etwas und legte den
Hörer auf.
Er hatte nur wenig geschlafen. Champagner und Bier hatten seinen Kopf in einen rotierenden Zementmischer verwandelt. Er setzte
sich auf und rieb sich die Augen. Er stöhnte und dachte an Benny Griessel in seinem Wohnzimmer. Dann dachte er an Yvonne Stoffberg
und stöhnte noch lauter.
Es war nicht seine Schuld gewesen.
Hätte er voraussehen können, daß Griessel auftauchen würde?
Er war ihr gefolgt, durch den Flur, aber sie hatte ihm die Schlafzimmertür vor der Nase zugeknallt und abgeschlossen.
»Yvonne, ich wußte nicht …«
Ihre Stimme schrill und hysterisch. »Ich heiße Bonnie.«
»Ich wußte nicht, daß er herkommt.«
»Wer hat denn die verfickte Tür aufgemacht?«
Gutes Argument. Lärm hinter der Schlafzimmertür – knallen, schieben.
»Jemand hat geklopft. Ich mußte doch aufmachen.«
Die Tür öffnete sich. Ihr Gesicht erschien. Wut und Haß hatten ihren Mund verändert, sie kniff die Augen zusammen. Mittlerweile
trug sie einen rosafarbenen Trainingsanzug.
»Du hättest es auch einfach ignorieren können, du verdammter Polizistenidiot.« Sie knallte die Tür wieder zu und schloß erneut
ab.
Er war vor der Tür auf den Boden gesunken. Die Trunkenheit war ihm eine Last, die ihn daran hinderte, sich zu überlegen, wie
er sie überzeugen konnte. Aber ihre letzten Worte hatten ihm sowieso den Wind aus den Segeln genommen. Er saß immer noch dort,
als sie einige Zeit später die Tür wieder |129| aufriß. Sie hielt ihren Koffer in der Hand. Sie stieg über ihn hinweg und stürmte durch den Flur zur Haustür. Dort blieb sie
kurz stehen, knallte den Koffer auf den Boden, ging zu ihm zurück und sagte mit denselben dünnen Lippen: »Ich laß den Schlüssel
morgen hier, wenn ich meine anderen Sachen hole.« Dann ging sie mitsamt ihrem Koffer. Er sah ihren festen Po in dem engen
rosa Trainingsanzug durch die Haustür verschwinden, und er fragte sich für eine Sekunde, ob sie Unterwäsche trug. Er war einfach
sitzen geblieben, sein Geist dumpf, der Alkohol ein saurer Film in seinem Mund und nur noch ein vages Drängen zwischen den
Beinen.
Irgendwann in der Nacht war er ins Bett geklettert, und nun fühlte er sich alt und müde. Und in Boston lag ein zweiter Mann
mit einem Loch im Schädel und einem im Herzen. Er erhob sich stöhnend. Zuerst mußte er nach dem Kerl in seinem Wohnzimmer
sehen.
Er wollte Kaffee trinken, doch dafür blieb keine Zeit. Hastig putzte er sich die Zähne, ohne daß das gegen den üblen Geschmack
in seinem Mund half. Er wusch sich das Gesicht, zog sich an und ging durch den Flur. Im Eßzimmer standen die Überreste ihres
Mahls, kalt und ekelerregend. Im Vorbeigehen sah er den Zigarettenstummel, der auf dem Teller verglüht war. Die Enttäuschung
über das Fiasko des Abends holte ihn ein.
Griessel schnarchte auf dem Wohnzimmersofa. Joubert fand seine Winstons auf dem Couchtisch und zündete sich eine an. Später
würde er zu den Special Milds zurückkehren. Sein Mund schmeckte nach abgestandenem Bier. Er schüttelte Griessel leicht an
der Schulter. Das Schnarchen hörte auf.
»Mat«, sagte Griessel überrascht.
»Hey, Benny, ich muß los.«
|130| Langsam setzte sich Benny auf, den Kopf in die Hände gelegt.
»Noch ein Tokarew-Mord. In Boston. Aber du kommst nicht mit.«
Er zog Griessel auf die Füße und führte ihn zur Haustür, dann in den Sierra. Sie stiegen ein und fuhren los.
»De Wit hat mir ein Ultimatum gestellt, Mat.«
Joubert sagte nichts.
»Ich muß aufhören zu saufen, sonst bin ich draußen.«
»Und du hast ihm deine Antwort gegeben.«
Sie fuhren schweigend.
»Wo bringst du mich hin?«
»In eine Zelle auf der Wache Edgemead, Benny.«
Griessel schaute ihn an wie ein waidwundes
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