Der Traurige Polizist
Massenmörder
adoptiert wurden? Kallinger. Bianchi. Earle Nelson. Oder unehelich. Inzwischen sind einige Psychologen der Ansicht, daß Ted
Bundy gemordet hat, weil er wußte, daß er ein uneheliches Kind ist. David Berkowitz war adoptiert und unehelich. Und viele
von ihnen waren Waisenkinder oder wuchsen jedenfalls in Heimen auf. Fish. Kemper. Olson. Panzram. Bonin. Und dann morden sie,
um sich ihren kleinen Platz in der Gesellschaft zu sichern. Tragisch, finden Sie nicht?«
|253| Er schrieb mit. Das beschäftigte seinen Blick und seine Hände.
»Wissen Sie, was mich stört, Mat Joubert? Die Waffe und die Opfer. Die Mauser ist zu offensichtlich. Zu sehr Macho. Eine Aussage.
Das stört mich. Hier hebt die Sexualität ihren häßlichen Kopf. Der lange Lauf. Ich habe es nachgesehen. Ian Hoggs Buch
Deutsche Pistolen und Revolver
. Der lange Lauf. Ein phallisches Symbol. Ein männliches Symbol. Das ist ein Mann mit einem Problem. Alle Opfer sind Männer.
Das stört mich. Ein Mann mit einem Problem, der andere Männer tötet. Aber die Opfer sind nicht schwul …«
»Sie … Eines war homosexuell«, unterbrach er sie.
»Eines? Nur eines, Mat Joubert? Sind Sie sicher? Sind Sie ganz sicher?«
»Wallace war … promiskuitiv, aber heterosexuell. Wilson war homosexuell. Ferreira … Ich weiß es nicht. Seine Frau hat gesagt,
er mochte Pornos. Und MacDonald, den wir heute morgen gefunden haben, wurde Vergewaltigung vorgeworfen, aber die Frau hat
die Anzeige zurückgezogen.«
»Aha – Sie können ja tatsächlich sprechen«, sagte sie in herausfordernder Ernsthaftigkeit und runzelte die Stirn. Er fragte
sich, ob diese Frau irgend etwas tun konnte, damit er nicht mehr an Sex dachte.
»Für mich hört sich das so an, als wären sie alle Klemmschwestern gewesen, Mat Joubert. Wissen Sie, wie viele Männer ihre
Homosexualität mit Hilfe von Promiskuität unterdrücken? Und die Vergewaltigung. Vielleicht wollte er sich selbst seine Männlichkeit
beweisen. Kommen Sie, ich wette mit Ihnen, Ihr Mörder wird homosexuell sein. Das paßt. Die Mauser. Das ist eine Aussage. Eine
sexuelle Aussage. Eines homosexuellen Mannes.«
|254| »Aus der Mittelschicht. Der adoptiert wurde«, sagte er und runzelte die Stirn, so wie sie es zuvor getan hatte.
»Der Captain hat Humor«, sagte sie in Richtung ihres Fahrrades. Sie schaute ihn wieder an.
»Was haben Sie heute abend vor? Sie sind zu gut, um wahr zu sein.«
»Frau Doktor, das Problem ist …«
»Bitte nennen Sie mich nicht Doktor. Sie können zu mir sagen, was Sie wollen. Sie können mich sexy nennen, aber nicht Doktor.
Finden Sie mich sexy? Wo haben Sie eigentlich Ihren Namen her? Mat? Ist das eine Abkürzung für Matthew?«
»Ja«, sagte er, um Zeit zu sparen.
»Ja, ich bin sexy, oder ja, es ist die Abkürzung für Matthew?«
Irgendwo auf ihrem Schreibtisch klingelte ein Telefon. Sie stand schwungvoll auf und machte einen großen Schritt. Sie wühlte
unter Büchern und Papier. Er beobachtete, wie ihre Wadenmuskeln sich anspannten und entspannten, er war erstaunt über ihre
Perfektion.
»Anne Boshoff«, sagte sie gereizt. Dann: »Einen Augenblick.« Sie hielt ihm den Hörer hin. »Für Sie, Matthew.«
Er stand auf, legte sein Notizbuch auf die Kiste und nahm den Hörer. Es war der Bereichsleiter der Premier Bank. Die Zentrale
war damit einverstanden, daß die Polizei Mitarbeiter in Zivil in den Zweigstellen stationierte. Aber sie hatten dringend darum
gebeten, daß die Polizei auf das Leben und die Sicherheit des Personals und der Kunden achtete. Joubert versicherte ihm, daß
sie das tun würden.
»Darf ich einmal telefonieren?« fragte er und sah sich um. Sie saß wieder auf der Kiste, hatte die Beine über Kreuz gelegt
und blätterte in seinem Notizbuch.
»Ihre Handschrift ist schrecklich. Die langen Schwünge |255| Ihres ›y‹, ›j‹ und ›g‹ deuten darauf hin, daß Sie sexuell frustriert sind. Sind Sie das? Sie telefonieren bereits, Matthew.
Machen Sie einfach weiter.«
Er wählte eine Nummer und versuchte sich auf den Anruf zu konzentrieren. Er klopfte auf der Suche nach einer Zigarette auf
seine Hemdtasche. Dann erinnerte er sich, daß sie in seiner Jackettasche steckten. Er wollte rauchen. Er wollte etwas mit
seinen Händen tun, um seine Ungeschicklichkeit und seine Unsicherheit zu verbergen. De Wit meldete sich, so wie es die internen
Richtlinien vorschrieben. »Mordkommission. Colonel Bart de Wit, schönen guten
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