Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
Vom Netzwerk:
er bei Vater an den Richtigen …«
    »Vater tobte, wie ich ihn nie erlebt habe«, mischte sich Saldir ein. »Mutter musste ihn festhalten, damit er nicht auf Liuba losging.«
    »Und dann wandte Liuba sich an Mutter, sagte, dass sie ihn sicher verstehe, dass sie wisse, er wolle nur das Beste für seine Familie –«
    »Da hat sie ihn verflucht!«, rief Saldir, und ihre Finger umkrampften Cinnas Arm.
    »Sie hielt ihm vor, er sei nicht länger ihr Sohn, er solle ihr aus den Augen gehen, und die Geister dieses Hauses und dieser Familie sollten ihn verfolgen und peinigen bis ans Ende seiner Tage. Als Vater nur schweigend dastand und zum Tor wies, nahm er sein Pferd und ritt davon. Niemand folgte ihm.«
    Hraban ließ den Kopf auf die Knie sinken, als er verstummte, und zog die Schultern hoch. Zögernd legte Cinna die Hand auf seinen Rücken, fühlte die feinen Erschütterungen, die unsichtbar durch Hrabans Körper gingen. Er umarmte ihn halb, da auch Saldir ihn nicht losließ, sondern ihn aus weiten, glänzenden Augen anstarrte.
    »Wenn ich ihn hassen könnte, wäre es einfacher«, stieß Hraban hervor. »Aber sooft ich das versuche, sehe ich den Bruder vor mir, der mir das Reiten beibrachte, obwohl er sich selbst kaum auf einem Klepper halten konnte, der mit mir in den Wäldern Verstecken spielte und mich lehrte, einen guten Bogen zu schnitzen. Den Mann, der mit der Nachricht vom Tod seiner Braut aus der Stadt der Ubier zurückkehrte, den kenne ich nicht.«
    Cinna ließ ihn los und streichelte Saldirs Wange, er schob die kleinen, harten Fäuste beiseite, mit denen sie ihre Augen rieb, und trocknete ihre Tränen. Wie am Abend seiner ersten Begegnung mit Liuba lehnte sie sich an ihn, kuschelte sich dabei in ihren Mantel und schmiegte den Kopf an seine Schulter. Vorsichtig legte Cinna den Arm um sie, bemerkte Hrabans wachsamen Blick und hob hilflos die Hände, als Hraban ihm mit einem matten Lächeln bedeutete zu schweigen.
     
    Sie hatten das schlafende Kind behutsam auf eine Decke gebettet, als Inguiomers von der Wache zurückkehrte, erschöpft, aber strahlend. Hraban machte sich auf den Weg, um die Posten abzuschreiten, während Cinna sich neben Sunja legte. Schlaftrunken murmelte sie vor sich hin, und ihre Wärme vertrieb das Frösteln, ihre Hand schloss sich um den Arm, mit dem er sie umschlang. Sie streckte sich ein wenig, flüsterte, wo er so lange geblieben sei, ob Saldir schliefe, wie es Inguiomers bei der Wache ergangen sei und warum er sich in sie verliebt habe. Als er stutzte, wiederholte sie die letzte Frage. Stockend erwiderte er, das sei kaum verwunderlich – viel erstaunlicher sei, dass sie sich für ihn entschieden habe.
    »Deine Augen«, sagte sie leise, »schwarz und doch leuchtend wie sternklare Nacht. Dieses stolze Funkeln. Du hast nie aufgegeben, nie klein beigegeben –«
    »Doch, das habe ich«, fiel er ihr ins Wort. »Viel zu oft!«
    »Nein, du hast nachgegeben, du warst vorsichtig, aber du hast immer auf den Augenblick gewartet, um dir zu nehmen, was dir zusteht.«
    Er lächelte, drückte seine Lippen in ihre Halsbeuge. »Weißt du, was Glück ist? – Ich meine nicht das, worauf die Philosophen hinauswollen, sondern das einfache Glück …«
    »Das Glück ist ein warmes Bett in eisiger Winternacht«, versetzte sie, »eine weiche Pferdeschnauze in der Hand, ein –«
    »Unsinn! In deinen Armen zu liegen, warm und matt vom Wirken der Venus, neben dir aufzuwachen, deine Hand in meiner, dein Lächeln …«
    »Du bist leicht zufrieden zu stellen.«
    Sacht biss er sie in die Schulter. »Das vergangene Jahr hat einen einfachen Jungen aus mir gemacht. Es würde mir genügen, ein kleines Anwesen zu bestellen – ein paar Sklaven für die schwere Arbeit und wir beide.« Er atmete tief durch. »Und ein paar Kinder, damit ich weiß, wofür ich das tue.«
    Er hatte sich nie Kinder erhofft, es war völlig selbstverständlich gewesen, ein ehernes Gesetz, eher unvermeidlich als wünschenswert, man heiratete, um Erben zu zeugen. Aber die Zeit mit Marcia war offenbar zu kurz gewesen; sie war nicht schwanger geworden und somit leicht wieder loszuwerden, als sein Vater neue Pläne mit ihm hatte, und er war viel zu jung gewesen, selbst noch ein halbes Kind. Sklaven hätten seine Kinder großgezogen – genauso wie ihn und seine Geschwister –, und eines Tages wäre er einem Jungen gegenübergestanden, ohne zu wissen, was es bedeutete, einen Sohn zu haben. So wie er erst durch Hraban erfahren hatte, was es bedeutete,

Weitere Kostenlose Bücher