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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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durchflatterte und das Zwerchfell erschütterte, stockte wie das Belfern eines Welpen und sich in ein lang gezogenes Winseln verwandelte, als er durch die zugeschnürte Kehle nach Atem rang. Halb besinnungslos hatte er die Fingernägel in die Handflächen gekrallt, spürte das feine, heiße Züngeln durch die Kälte, das Blut, das über den Rücken rieselte, das er in dem rostfarbenen Schimmer vor seinen Augen zu erkennen glaubte. Das Tosen im Schädel schwoll an. Die trüben Schleier versanken in Finsternis.
    Du musst ruhig atmen, langsam und ruhig. Der Schmerz hat keine Macht über dich, wenn du ruhig atmest. – Die Worte erreichten ihn aus einer Ferne, die zu überwinden er nicht zu hoffen gewagt hatte, ließen Blut und Brand an ihm herabrinnen, hüllten ihn in Nebel, die mit jedem Hieb zu grellem Licht aufrissen. Das Echo einer süßen Stimme füllte seinen Kopf und küsste das Wimmern von den zerbissenen Lippen. Aus dem Gleißen lösten sich schlanke Arme, weiß wie der erste Schnee des Winters, und ein schmales, weißes Gesicht, die Augen leuchtend, der Mund verheißungsvoll geöffnet. Er fühlte ihren Namen auf Zunge und Lippen, fühlte ihre kühle Haut lebendig auf seiner, ihre Glieder wie Wellen, die ihn umwanden und wiegten in erlösender Kälte, die alle Feuer auf seinem Körper löschte und ihn in einen Strudel zog.
    Ein Ruck riss ihn von den Füßen, der haltlos zusammensackende Körper prallte hart auf den Erdboden. Ohrenbetäubend brandete der Puls durch die Adern, und er rang um seine Sinne, die in wildem Aufruhr waren.
    Die Hände wurden ihm auf den Rücken gefesselt, streiften peinigend die Striemen, dass er mit einem pfeifenden Laut Luft in die wunden Lungen zog. Jemand legte feine Riemen um seine Finger, zog die Schlingen derart fest zu, dass das Blut in den gequetschten Gliedern pochte. Sie würden ihm die Finger brechen, jene tückische Methode, welche die Erkenntnis einer tödlichen Gefahr erwachen ließ: Niemand braucht einen Sklaven, der seine Hände nicht benutzen kann.
    Unversehens hörte er flinke Füße über den Sand eilen, hörte Rufe nach dem edlen Ermanamers, eine Stimme, die ihn in seiner Ohnmacht gefunden hatte. Noch bevor Arminius seine Frage nach dem Mädchen beenden konnte, fiel sie ihm gellend ins Wort.
    »Was immer du vorzubringen hast, Ermanamers – ich bin eine derer, die den verwundeten Gefangenen pflegten. Unter meinen Händen genas er, und meiner Mutter Kunst wehrte den eisigen Hauch des Todes ab. Ich werde nicht zulassen, dass du das Gesetz meines Volkes brichst, noch dass du mich und meine Familie zwingst, es zu brechen. Hätte dieser Mann dich verletzt oder entehrt, wäre es rechtens, wenn du mit deinen eigenen Händen Rache nimmst. Doch auf meines Vaters Ratsplatz durch die Hände eines Schergen zu foltern, um Nachrichten zu erpressen, ist Unrecht. Lass die Römer so handeln, von denen du uns ja befreien willst – wir dürfen uns nicht die Sitten des Feindes aneignen, die unseren eigenen widersprechen.«
    Wie Wellen, die einen Strand hinaufströmen, verrinnen und zurückebben, um im Gurgeln des nachströmenden Wassers verschluckt zu werden, zerteilten Cinnas keuchende Atemzüge die Stille. Die Schnüre lockerten sich um seine Finger, durch die sogleich kribbelnd das Blut rauschte. Vorsichtig versuchte er, sie zu regen. Erst jetzt öffnete er die verklebten Augen und erkannte den blauen Saum des Leinenkleides neben sich. Sie trug ein langes Unterkleid aus dünner ungebleichter Wolle, und Staub bedeckte die weißen Schuhe, die klein und zierlich waren zwischen denen der Männer. Der Schwindel zwang ihn, die Lider zu senken. Sie stand zwischen ihm und Arminius.
    »Inguiotar, sage deiner Tochter, dass der Gefangene keine gewöhnliche Geisel ist. Er war Offizier, ein senatorischer Legionstribun, der mit den Gepflogenheiten der römischen Streitmacht bestens vertraut ist. Sage ihr, dass wir um diese Gepflogenheiten und Besonderheiten wissen müssen, wenn unser Volk das Joch der Knechtschaft abschütteln soll. Sage ihr, dass es einer Frau nicht ansteht, sich in die Angelegenheiten von Männern zu mischen, die sie vor der Ungerechtigkeit und Grausamkeit des Feindes schützen wollen!«
    »Es steht einer Frau nicht an, solange die Männer nicht die Sitten des eigenen Volkes beugen und brechen und solange sie sich nicht die Ungerechtigkeit und Grausamkeit des Feindes zu eigen machen«, fuhr sie ihn an, ohne auf eine Antwort ihre Vaters zu warten. »Es ist mein Recht und meine

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