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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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beschützt. Er konnte schlafen. Er würde genesen.

VIII
    Der Flur lag im Dunkeln. Cinna schob sich an der Wand entlang und erkannte im Zwielicht die Traubengirlanden, die ihn in Richtung des Atriums führen würden. Kühler Wind strich ihm über die Wangen, er trug einen Hauch von frischem Brot, Geräuchertem und Kuchen und wehte die Stimme seines Vaters an sein Ohr. Cinna wollte rufen, aber er brachte keinen Ton hervor. Dies war das Landhaus in Perusia, und er konnte nicht hier sein. Ein böser Geist hatte diesen Traum geschickt. Angestrengt versuchte Cinna, das Gespinst zu zerreißen, das ihn gefangen hielt, bis er einen Vogelruf hörte, Stroh und grobe Wolle unter seiner Wange spürte und ohne die Augen zu öffnen den Atem mit einem lang gezogenen Seufzen entließ.
    Der Duft war geblieben.
    Cinna blinzelte und erblickte im Halbdunkel Saldirs Gesicht. Sie kniete neben dem Lager und hatte ein Bündel vor sich abgelegt.
    »Sei still! Ich will nicht hören, dass es dir Leid tut«, murmelte er und senkte die Lider. »Es war nicht zu verhindern – jedenfalls nicht, ohne das Gesicht zu verlieren. Ihr habt getan, was ihr konntet. Du musst es mir nicht noch einmal erklären.«
    Sie schniefte leise, und als er einen Blick auf ihr Gesicht warf, funkelte etwas auf ihrer Wange, glitt daran herunter. Vorsichtig stemmte er sich auf seine Unterarme, doch sofort schlugen zahllose Tiere ihre Klauen in Schultern und Rücken. Er verbiss sich jeden Laut, so dass seine Lippen brannten, als die Zähne sich lösten. »Schon gut … Dir kann man gar nicht böse sein.«
    Der sanfte Welpenblick hellte sich auf.
    »Sei lieb, Saldir, bring mir bitte etwas Wasser.«
    Ohne zu zögern rannte sie quer durch den Raum zum Herd, wo sie einen Becher füllte. Langsam setzte er sich auf, ließ eine Hand vorsichtig über den Rücken gleiten und betastete die geschwollenen Striemen. Die meisten Wunden schienen trocken verkrustet, hatten begonnen sich zu schließen, ohne dass sich Entzündungen bildeten. Als Saldir zurückkehrte, alle zehn Finger um den Becher krampfend, den sie ihm anbot, schaute sie ihn aus hellgrauen Augen von unten her an, was ein Lächeln auf sein Gesicht lockte. Langsam schob er eine Hand unter ihr Kinn und hob ihren Kopf, dann nahm er den Becher und leerte ihn in einem Zug. Als er das Gefäß abstellte, wies sie vor sich auf den Boden, auf ein Bündel von Häuten, das er als Felldecke erkannte.
    »Das schickt dir Hraban, und …«, sie zog einen kleinen tönernen Tiegel aus den Falten ihres Kleides hervor, »… von Sunja soll ich dir dies hier geben.«
    Als sie die Decke auseinander faltete und ein darin verborgenes Päckchen öffnete, lagen darin Brot, Speck und Käse in ungewohnter Menge. Kopfschüttelnd betrachtete er die Geschenke, die niemals ohne Thauris’ Wissen das Haus hätten verlassen können.
    »Steh auf«, sagte sie rasch, und kaum hatte er sich erhoben, fegte sie flink das mit Flecken übersäte Laken vom Bett und breitete stattdessen die Felldecke sorgfältig darüber aus. In ihrer Miene las er, dass sie sich das Ganze weitaus schwieriger vorgestellt hatte.
    »Was soll das alles?«
    Er drehte den Tiegel in der Hand, löste dann die Schnur, die den Deckel hielt. Ein feiner Duft quoll heraus.
    »Das ist für die Wunden«, murmelte sie. »Es beschleunigt die Heilung.«
    Einladend klopfte sie mit der flachen Hand auf das Fell. Weiches, weißes Lammfell. Er folgte ihrer Aufforderung, nicht so sehr aus Gehorsam, sondern weil er nicht wusste, was er sonst hätte tun sollen.
    »Bitte erkläre mir, was hier geschieht.«
    Anstelle einer Antwort wollte sie ihm das Tuch mit dem Essen auf den Schoß legen, da hob er abwehrend die Hände. Sein eindringlicher Blick zwang sie, die Augen zu senken.
    »Sprich mit Hraban darüber, nicht mit mir.«
    »Hraban ist nicht hier. Wen soll ich also fragen?«
    »Ich … ich darf dir nicht antworten«
    Für einen Augenblick hielt er den Atem an. »Ich soll weg von hier?«
    Ihr Kopf flog hoch und mit ihm die Zöpfe. »Nein! Nein, das wagt er nicht! Vater wird das nicht zulassen!«
    »Ich verstehe nicht …«
    »Er hat das Gastrecht schon viel zu sehr missbraucht – auch wenn Liuba es ihm erlaubt hat. Aber das hätte er nie tun dürfen. Das –«
    »Halt, Halt«, unterbrach er sie sanft. »Wer ist er? Und was bedeutet das alles?«
    Sie hatte die Hände vor dem Kinn verschränkt und versuchte sichtlich, ihre Unruhe zu beherrschen. »Liuba hat Ermanamers dieses … dieses Verhör gestattet –

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