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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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weißen Mänteln, die sie um ihre Arme geschlungen oder lose um den Leib gelegt hatten. Jetzt standen zwei Sessel im Schatten des Baumes, das schöne Sitzmöbel, von dem Cinna inzwischen wusste, dass Inguiotar es vor vielen Jahren von einem Raubzug aus der Gallia mitgebracht hatte, und ein schlichteres Exemplar, te hier nicht hergehörte, zweifellos italische Ware, sicherlich aus römischen Heeresbeständen stammend.
    Die Dorfbewohner, Männer, Frauen und Kinder, die gerade jetzt alle in der näheren Umgebung zu tun hatten, hielten bei ihren Tätigkeiten inne oder strichen in gebührendem Abstand um den Platz herum. Cinna erkannte Inguiotar und dessen Söhne, während sich der hohe Gast auf dem einfacheren Sessel niederließ und den Kopf wie sinnend auf die Faust stützte. Er musterte den Gefangenen und rieb dabei mit dem Zeigefinger die schmalen Lippen. Schließlich wandte er sich zu Inguiotar, der neben ihm auf seinem Sessel Platz genommen hatte.
    »Gestattest du, dass ich den Gefangenen befrage?«
    Inguiotar nickte zögernd. Ohne eine Miene zu verziehen, schweifte Arminius’ Blick langsam über die Menge, bis er auf Cinnas Gesicht zur Ruhe kam.
    Noch ehe Arminius mit zwei Fingern den Wächtern einen Wink gab, hatte Cinna bereits begriffen, dass er in einer Falle saß, aus der es kein Entrinnen gab. Als die beiden Krieger ihn wieder packten, sah er, wie Inguiotars Züge sich verfinsterten, wie Hraban herumfuhr und sein Vater dessen Arm nahm und hart drückte. Hraban hatte den Mund schon geöffnet, schien nach Worten zu ringen, während der Gefangene unter den Baum geführt wurde. Dort knoteten die Bewacher rauen Hanf um Cinnas Handgelenke und warfen die Stricke über den untersten, armdicken Ast, der fast waagerecht aus dem Stamm ragte. Sie strafften die Fesseln dergestalt, dass er, den Zuschauern das Gesicht zuwendend, mit erhobenen, weit auseinander gezogenen Armen aus eigener Kraft stehen bleiben musste. Verstört und betäubt von der teilnahmslosen Geschäftigkeit seiner Umgebung, nahm er die lange, dünne Lederpeitsche in der Hand eines der stämmigen Kerle kaum wahr.
    Schweiß hüllte ihn in einen eisigen Mantel, zugleich drang ihm heiß ins Bewusstsein, was die illustre Schar der Edlen beabsichtigte. Mit einiger Anstrengung, aber leidenschaftslos wurden Kittel und Hemd zerrissen und ihm samt der Hose vom Leib gezerrt. Vergeblich kämpfte er gegen das Zittern, beobachtete mit der fieberhaften Wachsamkeit einer gefangenen Beute die gleichgültigen Zeugen seiner Schmach. Er hörte ein Raunen und Flüstern und sah Hraban, der als Einziger den Blick auf sein Gesicht heftete und in hilflosem Zorn an der Unterlippe nagte, und Inguiotar, dessen grimmige Züge keine Deutung zuließen.
    Als vor ihm Arminius auftauchte, der am Tisch des Varus eine weitaus freundlichere Miene zur Schau gestellt hatte, brodelte ohnmächtige Wut in Cinna auf. Deutlich ahnte er die siegesgewisse Ruhe des Verräters, der vor ihm stand und ihn prüfend betrachtete, bis er dem hinter Cinna wartenden Schergen einen aufflammenden Blick zuwarf.
    In der Stille glaubte Cinna zu hören, wie der massige Krieger das geflochtene Leder langsam über die Schulter zurückführte, ausholte. Kalte Luft zog er in die Lungen und sandte Stoßgebete zu den Göttern, sie mögen ihm die Kraft geben, komme, was wolle, nicht zu schreien.
    Scharf traf ihn der Hieb, bei dessen Heranpfeifen er unwillkürlich die Lider gesenkt hatte, der ihn nach vorn schleuderte, Augen und Mund erschrocken aufsperrend, als die Haut unter dem Aufschlag des Leders erbebte, Lauffeuer ihn durchrasten, die Muskeln sich jäh spannten und seinen Körper schüttelten wie eine losgelassene Bogensehne. Die Zähne knirschten unter der Gewalt des Schmerzes, und in den Ohren dröhnte das Echo eines tierischen Stöhnens. Nach Atem ringend, schaukelte er an den quietschenden Stricken.
    Keinen Schritt war Arminius zurückgetreten, als er gleichgültig anmerkte, dies sei ja wohl die Art, wie Römer ihre Gefangenen befragten. Cinna focht mit Zorn und Angst. Befragen. Was immer dieser Verräter erfahren wollte, er war nicht gewillt, es ihm zu sagen. Aus dem Augenwinkel verfolgte er den Schatten der Peitsche, die ihr grinsender Träger pendeln ließ. Arminius fragte nach den schweren Waffen der Ersten und Fünften Legion. An den Rändern der glühenden Linie, die der Riemen über seine Schulterblätter gezogen hatte, sprang die Haut auf wie eine morsche Naht. Kein Schrei würde ihm über die Lippen

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