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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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Statthalter dieser Provinz hatte einen ehrenvollen Tod der Gefangennahme vorgezogen. Seinen Leichnam hatten Leibwächter zu verbrennen versucht, während der Feind die Wälle und morschen Palisaden berannte. Sie waren überrumpelt worden von wütenden Barbaren, die ihnen den halb verbrannten Toten entrissen und seinen Kopf als Trophäe weggeschleppt hatten.
    Mehrmals war Cinna in den Genuss dieser Anekdote gekommen, die Liuba aufzuwärmen wusste, wann immer sich eine Gelegenheit bot, nur dass seine Fassung dieselben Tatsachen in einem völlig anderen Licht zeigte.
    Nachdem die Aufmerksamkeit der Männer von neuem von den Würfeln gefesselt wurde, erhob Cinna sich und verließ das Haus. Margio hatte die Pferde auf die Koppel gebracht, wo sie sich mit Hrabans Fuchs auf ihre Art unterhielten. Getrieben von einer fast kindlichen Sehnsucht nach den warmen, dampfenden Pferdeleibern, überquerte Cinna den Hof, als ihn auf halbem Weg ein Ruf ereilte.
    »Kannst du die freundliche Geste nicht einfach genießen, Cai?«, lachte Hraban hinter ihm her.
    Cinna blieb stehen, drehte sich halb um. »Das habt ihr euch fein ausgedacht – der werte Gast lädt mich an eure Tafel, ich bekomme einmal nicht nur die Abfälle, sondern ein richtiges Essen, bei dem mir die Heldentaten gleich mit aufgetischt werden. Wenn ihr mich eines Tages laufen lasst, soll ich diese Geschichten sicher nacherzählen, um deinen Vater und Schwiegervater in ein günstiges Licht zu rücken – damit sie bei der Wiedereroberung dieser Provinz als Freunde des römischen Volkes dastehen?«
    Zuerst starrte Hraban ihn erstaunt an, dann brach er in schallendes Gelächter aus. »Glaubst du das wirklich? Glaubst du das?« Er wischte sich die Augen. »Du hast Thiuda gehörter und andere chattische Edle haben mit Asprenas verhandelt und ihm die Sicherheit der Mattiaker, ihrer heiligen Quellen und Mogontiacums garantiert. Asprenas hätte Vetera nicht ohne diese Garantie halten können. Und …«, auf seinen Zügen erschien ein breites Grinsen, »… du kannst dir sicher vorstellen, dass Ermanamers und seine marsischen, brukterischen und sugambrischen Freunde erbost waren über diese Vereinbarung.«
    »Es ist mir eigentlich gleichgültig, wer hier was über wen denkt«, murrte Cinna und setzte seinen Weg fort.
    Er hörte schnelle Schritte hinter sich, und bald darauf lag eine Hand warm auf seiner Schulter.
    »Gleichgültig oder nicht, du kannst ein paar Hoffnungen darauf setzen, dass –«
    »Welche Hoffnungen?« Brüsk hatte Cinna innegehalten, blitzte Hraban wütend an. »Dass ihr mich laufen lasst? Machst du dich lustig über mich?«
    *
    Wärme kam mit den Sonnenstrahlen, der Schnee färbte sich dunkel und schmolz hinweg. Das Eis des Sees sang und knallte im abendlichen Frost wie Peitschenhiebe, und zwischen den geborstenen Schollen drang Wasser empor. Mit einem langen Stecken bewaffnet, wagte sich Godareths auf die tückische Oberfläche, um in den aufgeschlagenen Löchern zu angeln. Diese Tätigkeit wollte niemand außer dem alten Fischer verrichten, da es bedeutete, oft einen halben Tag lang möglichst reglos auf der kalten, glatten Fläche zu verharren, um wenigstens zehn oder zwölf winterstarre Forellen zu fangen, die den Hunger nicht stillten.
     
    »Halt! Aufhören!« Cinna rammte den Kübel auf den Boden, dass das Wasser spritzte und marschierte entschlossen über den Hof. »Ich kann das nicht länger mit ansehen.«
    Hraban und Inguiomers starrten ihm entgegen, wie er, ohne anzuhalten, die Ärmel herunterrollte. Als er den Jungen erreicht hatte, entwand er ihm in einer einzigen raschen Bewegung das hölzerne Schwert, und ehe Hraban ihn angreifen konnte, richtete er die Spitze der Waffe auf dessen Brust.
    »Schau zu und lerne, Kleiner!«, warf Cinna über die Schulter zurück.
    Der Junge blieb stehen; erst ein scharfer Ruf Hrabans brachte ihn dazu, zum Schuppen zu trotten, wo er sich mit verschränkten Armen und grimmiger Miene auf den Boden hockte. Cinna hatte die Übungswaffe zurückgezogen und wog sie in den Händen.
    »Willst du nur spielen? Oder warum hast du dich eingemischt?«, blaffte Hraban. »Nimm den Schild, damit du dir nicht wehtust.«
    Cinna erwiderte die Herausforderung nur mit einem raschen Blick. Langsam wandte er sich seinem Gegner zu, lockte ihn mit einem Fingerzeig. Hraban stürmte mit zwei großen Sätzen heran. Noch ehe sie zusammenprallten, wirbelte Cinna herum. Der Hieb der Waffe ging ins Leere. Hraban stolperte ein, zwei Schritte

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