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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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Lehm. »Aber solange du das Spiel suchst, wirst du nur den Tod finden.«
    Wütend blitzte Hraban ihn an, doch der Funke erlosch schnell, und ein Lächeln breitete sich auf seinen Zügen aus.
    »Einverstanden, sobald wir diesen Platz betreten, sind wir Gegner.«
    Cinna beachtete die Hand nicht, die Hraban ihm entgegenstreckte.
    »Du wirst lernen, mich zu hassen, Hraban. Und du wirst lernen, dich von diesem Hass nicht ablenken zu lassen, sondern entschlossen dein Ziel zu verfolgen, den Gegner unschädlich zu machen.«
    Sie wechselten einen Blick. Hrabans Hand verharrte wie ein stummer Tadel. Als Cinna an ihm vorbeiging, packte Hraban ihn hart an der Schulter und ergriff seine Hand.
    »Ich glaube nicht, dass das gut ist«, murmelte Cinna.
    »Es ist eine Abmachung. Du tust, was du versprochen hast, und ich das meine. Und am Ende werde ich von dir bekommen, was ich wirklich will.«
    Cinna erstarrte. Kälte rann an seinen Wirbeln entlang. »Und das wäre?«
    »Das wirst du früh genug erfahren«, erwiderte Hraban, verpasste ihm einen leichten Schlag zwischen die Schulterblätter und kehrte zurück auf seinen Platz.
    *
    Saldir verbrachte viel Zeit auf der Bank im Apfelgarten, wo sie sich gezwungenermaßen mit Handarbeiten beschäftigte. Auf dem Stoffbündel neben ihr lugten die Kanten der Schreibtäfelchen unter der Puppe hervor, und den bronzenen Griffel vermutete Cinna an dem dünnen Lederriemen, der sich um ihren Nacken schlang. Er wusste, dass es ihr darum ging, nicht vergessen zu werden. Von diesem Platz aus konnte sie beobachten, wie Hraban durch anfänglichen Leichtsinn überraschende Blessuren einsteckte, wie er gemeinsam mit seinem neuen Lehrer Laufpensen und Kraftübungen absolvierte und nicht selten selbst am Rande der Erschöpfung noch zu einem letzten Zweikampf antreten musste, in dem er erwartungsgemäß unterlag. Denn während Hraban die ungewohnten Bewegungsabläufe neu lernen musste, ließ Cinna die Erinnerung an die zahllosen, end losen Stunden Wiederaufleben, die er in Gesellschaft des hünenhaften Andarix zugebracht und in denen anfangs auch er, aller Geschicklichkeit und Schnelligkeit zum Trotz, unangenehm häufig Bekanntschaft mit dem Sand gemacht hatte.
    Inguiomers hockte zunehmend verdrossener in ihrer Nähe. Seine Lektionen beschränkten sich auf einzelne kurze Unterweisungen, auf Botengänge für den großen Bruder und die Pflege von Eisen und Leder; ihm war die undankbare Aufgabe zuteil geworden, sich um die Gerätschaften zu kümmern. Für ein echtes Kampftraining erschien er Hraban und Cinna noch zu jung, deshalb beschäftigte Hraban ihn von Zeit zu Zeit mit Spielen und kleinen Geplänkeln. Da sie sich allerdings nicht weiter mit ihm abgaben, verfinsterte sich die Stimmung des Jungen zusehends. War er anfangs noch freudig aufgesprungen, sooft er eine Lanze oder ein Schwert aufheben sollte, hatte sich sein Eifer bald gelegt.
     
    Pfeifender Wind weckte Cinna, riss Halme, bald sogar ganze Büschel aus dem Dach und zerrte an den nackten Zweigen. Schlafschwer und warm lehnte sich Margio in der Dunkelheit an seinen Rücken und schnaufte friedlich. Trotz des kalten Luftzugs rückte Cinna von ihm ab, zog die Decke bis zur Nasenspitze und lauschte den fauchenden und heulenden Böen, die an den letzten Eiszapfen leckten, sie schmolzen und dem Winter ein stürmisches Ende bereiteten. Fernes, dumpfes Grollen erinnerte ihn an die barbarischen Erzählungen von riesigen, zottigen, Menschen fressenden Wölfen und einem schmerbäuchigen Gott, der auf einem Wagen mit donnernden Rädern über die Erde raste und den mächtigen Hammer schwang, um die Ungeheuer wieder unter die Erde zu treiben. Ob man ihn nun Iuppiter nannte, Mercurius oder Thunaras, ob es eine Laune der Natur war oder nur Zufall oder sogar eine Machtprobe zwischen Göttern und Dämonen – das jähe Verstummen des Waldes und der Wiesen mutete unheimlich an.
    Ersticktes Husten tönte gedämpft herüber. Cinna erinnerte sich, dass Saldir verschnupft war und über Kopfschmerzen geklagt hatte. Er hörte einen Vorhang rascheln, bloße Füße tappten ungleichmäßig auf dem kalten Boden. Ein kleiner Schatten trat zur Haustür, eingehüllt in eine Decke, und schniefte vernehmlich. Erst knirschte der Riegel, dann die Türzapfen.
    Cinna schwamm in warmer Schläfrigkeit, die nur von dem unregelmäßigen Klappern der Tür gestört wurde, während ihm allmählich ins Bewusstsein drang, dass die kleine Gestalt gewankt hatte wie eine Betrunkene, obwohl Saldir

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