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Der Tribun

Der Tribun

Titel: Der Tribun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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nichts«, schimpfte Inguiotar. »Das Schwert ist entweiht! Es muss gereinigt und neu geweiht werden, wie der ganze Hof gereinigt und neu geweiht werden muss.«
    »Es ist nicht entweiht, Vater! Nicht, wenn er damit deine Feinde vertrieben hat.«
    »Er soll es herausgeben!«
    Vorsichtig beobachtete Cinna die beiden, vernahm Thauris Stimme hinter sich. »Er hat mich, Saldir, Gunthis und Swintha mit dieser Waffe verteidigt. Es darf ihm nichts geschehen.«
    »Das war seine Pflicht, sonst nichts«, fauchte der Alte.
    Mit weit vorgestreckten, erwartungsvoll geöffneten Händen stand Hraban vor Cinna. Langsam schlossen sich Cinnas Finger um die scharfe, blutige Klinge. Unschlüssig hob er die Waffe, kehrte Hraban den Griff zu, den dieser entschlossen packte. Die Spitze richtete sich auf Cinnas Brust. Er müsste sich Hraban nur entgegenwerfen.
    Die Klinge glitt durch seine Hände, verschmierte dabei das fremde Blut und das Eisen schnitt seine Finger. Mit gesenktem Kopf verharrte er, während seine Arme langsam herabsanken.

XIV
    Im Schatten der noch unbelaubten Ulmen ließ Cinna flache Kiesel auf den Wellen hüpfen. Er hatte sich den Aufräumarbeiten entzogen, nachdem Inguiotar ihn wegen einer Kleinigkeit scharf angefahren hatte, und war zu seinem eigenen Erstaunen von niemandem aufgehalten worden. Schon am vergangenen Abend hatte Ahtareths das Schwert aus Hrabans Hand entgegengenommen mit einer Miene, deren finsterer Ernst vermuten ließ, er müsse es von den Ausscheidungen eines Aussätzigen säubern.
    Letztendlich war es Cinna gleichgültig, wo die Häscher des Arminius ihn aufgreifen würden. Also verbrachte er die Zeit am Seeufer, weit entfernt von denen, die sich so gar nicht erkenntlich zeigen wollten dafür, dass er in diesem Kampf sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte. Schließlich hockte er sich unter einen der weit ausladenden Bäume, häufte die Kiesel, die er auf dem Weg gesammelt hatte, neben sich und schlang die Arme um die Knie.
    Lange hatte er reglos über das Wasser gestiert, als Hrabans Stimme ihn aus seinem düsteren Brüten weckte. Der junge Mann plumpste mit einem behaglichen Seufzer neben ihm auf den weichen Boden, ließ die Tasche von der Schulter gleiten, streckte die Beine von sich und lehnte sich an die rissige graue Rinde. Nach kurzem Zögern fischte Cinna einen Kiesel aus dem Häuflein und warf ihn achtlos über das Wasser. Hraban brach Zweige aus dem Gebüsch, um das frische Grün aus den Knospen zu zupfen, und seine Zehen wippten. Seine Ungeduld war fühlbar. Als der dritte Kiesel die Oberfläche durchbrach, drehte Hraban sich um und begann in der mitgebrachten Tasche zu kramen. Er zog einen Schlauch hervor, den er mit geheimnistuerischem Grinsen schwenkte, dass der Inhalt gluckste. Dann entstöpselte er den Schlauch, setzte die Öffnung an die Lippen und ließ einen Schwall der Flüssigkeit in seinen Mund strömen. Er prustete leise und schüttelte sich, bevor er den schlaffen Behälter weiterreichte.
    Cinna rührte sich nicht; erst nach der zweiten stummen Ermunterung nahm er den Schlauch und tat es Hraban gleich. Ein süßer, leicht öliger Geschmack glitt über die Zunge, füllte warm den Mund, während ein betäubender Duft in die Nase stieg. Rasch setzte er den Behälter ab und hustete. Und blinzelte in Hrabans feixendes Gesicht.
    »Was ist das?«, stieß er hervor.
    »Met. Mutters bestes – besser gesagt: ihr wirksamstes Rezept.«
    Die Wirkung war verlockend. Cinna gönnte sich einen weiteren tiefen Zug. Als er wieder über den See blickte, schien sich dieser ein wenig entfernt zu haben und hinter einer zarten Nebelwand zu liegen. Ihm war warm und wohlig, ein Gefühl, das ihn an Gastmähler erinnerte, an gesellige Treffen unter Freunden, die sich oft genug als Gegner erwiesen, Widersacher im Würfelspiel und Nebenbuhler bei den schönsten Mädchen. Nichts davon gab es hier. Stattdessen saß er inmitten der Einöde am Ufer eines Sees und wartete auf den Tod in Gestalt eines meuternden Hilfstruppenkommandanten.
    »Du solltest meinen Vater nicht herausfordern«, brach Hraban das Schweigen. »Das hier«, er deutete auf den Schlauch, »kommt von ihm.«
    Ein Blick, ein verächtliches Schnauben. »Deinen Vater herausfordern?«, blaffte Cinna. »Offenbar ist es ehrenrührig, dass ein feiger Sklave euren tapferen Kriegern Befehle geben kann.«
    »Was soll er denn tun? Dich ehren wie einen der unseren? Einen Freien?«
    »Nicht nötig. Ihr hättet euch das Ganze schenken können, wenn ihr mich

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