Der Tristan-Betrug
nicht verändern -nicht, wenn wir sie nicht verändern.«
Metcalfe bedeckte sein Gesicht mit den Händen. Sein Verstand begann auf Hochtouren zu arbeiten. Es musste irgendeine Lösung geben. Im nächsten Augenblick sah er mit scheinbar resignierter Miene vom Feuer auf. »Was haben Sie vor?«, fragte er tonlos.
»Morgen Nachmittag trifft die führende Ballettgruppe des Bolschoitheaters als von Moskau entsandte Freundschaftsdelegation in Berlin ein. Sie wird dort in der Staatsoper auftreten. Für die kritiklosen Deutschen holen sie vermutlich ihre abgedroschene alte Inszenierung von Schwanensee aus der Mottenkiste.«
»Lana kommt nach Berlin.«
»Und ihr Naziliebhaber von Schüssler ebenfalls. Er macht bestimmt einen kleinen Heimaturlaub, besucht wieder mal das alte Herrenhaus. Ein geschickt platzierter Tipp beim NKWD müsste genügen. Der NKWD verhaftet sie, und die Deutschen sind Augenzeugen. Und danach ist die Welt wieder in Ordnung. Tut mir schrecklich Leid, Stephen.«
»Und sie erzählt dem NKWD die Wahrheit.«
»Tatsächlich?«, fragte Corky ohne großes Interesse.
»Das spielt dann keine Rolle mehr. Sie kann protestieren, so lange sie will - sobald das Oberkommando der Wehrmacht erfährt, dass sie verhaftet worden ist, ist das Unternehmen WOLFSFALLE gerettet.«
»Sie wünschen sich wohl, die Sache wäre so einfach«, sagte Metcalfe mit sorgfältig beherrschter Stimme. »Nein, ich habe eine bessere Idee. Sie schicken mich nach Berlin, und ich .«
»Sie reaktivieren die Marionette.«
»Irgendwas in dieser Art.«
Corcoran starrte Metcalfe sekundenlang prüfend an.
»Sie wollen Abschied von ihr nehmen, stimmt's?«
»Gestatten Sie mir das«, drängte Metcalfe. »Und ich verspreche Ihnen, mein Bestes zu tun.«
Der Alte schüttelte langsam den Kopf. »Kommt gar nicht in Frage. Sie kehren nach Bar Harbor zurück, Stephen. Sie verbringen die Nachmittage damit, zu den Cranberry Islands hinauszusegeln - mit einem Tom Collins in einer Hand und einer hübschen Blondine, die kürzlich ihr Studium in Westover abgeschlossen hat, an ihrer Seite. Und sie werden diese Angelegenheit vergessen.«
» Verdammt noch mal, Corky ...«
»Seien Sie nicht kindisch. Sie haben sich bereits unsere ewige Dankbarkeit verdient.« Corcoran bedachte ihn mit einem flüchtigen, kalten Lächeln wie ein Zauberkünstler, der ein Ass aus einem präparierten Kartenspiel aufdeckt. »Wir wollen praktisch denken. Alle Rollen, die Sie spielen könnten, sind der Gegenseite bekannt. Ein nochmaliger Einsatz wäre ein Risiko, das ich nicht eingehen will.«
»Aber ich bin bereit, es einzugehen«, antwortete Metcalfe trotzig.
»Sie verstehen nicht, worum es hier geht. Das Risiko beträfe nicht nur Sie selbst. Wir alle - die Überlebenden aus dem Gesellschaftsregister - wären ebenso gefährdet wie das Unternehmen selbst.«
»Ich glaube, dass ich das allein entscheiden muss.«
»Stephen, bitte. Der Misserfolg geht auf meine Kappe. Ich habe Sie vieles gelehrt ...«
»Alles, was ich weiß. Ich wäre der Erste, der das eingestehen würde.«
»Aber etwas wirklich Wichtiges habe ich Ihnen beizubringen versäumt: Bescheidenheit. Ich dachte, das Leben würde Sie Bescheidenheit lehren, aber das war offenbar ein Irrtum. Nein, Stephen, Sie haben hier nichts zu entscheiden. Hier steht weit mehr auf dem Spiel, als Sie begreifen könnten. Sie haben ausgedient. Kehren Sie nach Hause zurück. Dort erwartet Sie ein großer Spielplatz. Lassen Sie die Schrecken hinter sich. Und überlassen Sie alles Weitere älteren, erfahreneren Leuten.«
Metcalfe schwieg lange nachdenklich. »Also gut«, sagte er dann. »Verfrachten Sie mich meinetwegen nach Hause. Aber ich will Ihnen erzählen, womit Sie in diesem Fall rechnen müssen. Ich weiß nicht, was Sie von Ihren Informanten hören, aber ich kenne die Frau, ich war in letzter Zeit viel mit ihr zusammen, und ich weiß, dass sie eine Schwäche für diesen von Schüssler hat.«
Corky war sichtlich betroffen. »Das haben Sie mir gegenüber niemals auch nur angedeutet!«
»Sie glauben vielleicht, das Herz einer Frau besser zu verstehen als ich. Ich weiß nur, was ich spüre. Ich glaube, dass ihr der Deutsche ein bisschen Leid tut - wenn sie nicht sogar mehr für ihn empfindet.«
»Was soll das genau heißen?«
»Das heißt, es besteht die Gefahr, dass Lana das Unternehmen scheitern lässt, indem sie von Schüssler einen Tipp gibt, dass er reingelegt worden ist. Mehr ist nicht nötig, um alle unsere Anstrengungen
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