Der Triumph der Heilerin.indd
und Gestalt verschönert werden, was keinem rechtschaffenen Geistlichen zu beobachten anstand. Daher beeilte er sich, sich zurückzuziehen und Gott nicht mit dem Anblick weltlicher Pracht zu beleidigen. Schweigend verbeugte sich der Mönch vor der Königin und ging. Elizabeth Wydeville bemerkte es kaum.
Arme Frau, dachte der Mönch, als er das Durcheinander des Jerusalemzimmers hinter sich gelassen hatte. Arme, treue Gemahlin! Eine Penelope für Odysseus. Der Herr habe Erbarmen und vereinige sie mit ihrem edlen Gemahl, dem von Gott gesalbten König. Aber als Bruder Peter durch die Abtei ging und sich in gesetzter Manier vor befreundeten Mitbrüdern verneigte, die paarweise einherschritten und über den klösterlichen Himmel sinnierten, da kam ihm der Gedanke, dass es in Kürze womöglich zwei gesalbte Könige in London geben würde. Konnte, wollte Gott dies zulassen? Bruder Peter schüttelte den Kopf. Dies konnte nur Teil eines göttlichen Plans sein, sonst würde es nicht geschehen. Und es war nicht an ihm, einem demütigen Mönch, Gottes Wille und Wege abzuwägen oder in Frage zu stellen.
»Das goldene Kleid, Euer Majestät, oder das Rote?«
Elizabeth Wydeville war bis auf ihr seidenes Unterkleid ausgezogen. Ihre Damen drängten sich um sie, bürsteten ihr Haar, tupften ihre Achselhöhlen mit einem in Rosenwasser getränkten Schwamm ab, frischten ihre Lippen mit einer Mischung aus zerstoßenen roten Geranienblüten, Wollfett und Mandelöl auf.
»Das weiße. Ich möchte das weiße Damastkleid tragen! Keusch und fromm, so soll er mich sehen.«
Elizabeth Wydeville hatte nach der Geburt des Knaben, ihres sechsten Kindes, hart an ihrer Figur gearbeitet. Sie hatte gehungert und sogar auf das geliebte Veilchenkonfekt verzichtet. Sie war von der Natur begünstigt und ihr Körper für Kinder wie geschaffen. Er war zart und immer noch eine Augenweide - das musste übernatürliche Ursachen haben, wurde geflüstert.
Nun aber war Elizabeth ernsthaft beunruhigt, denn das feine Kleid aus glänzendem, weißem Damast entpuppte sich als zu eng um Busen und Taille. Sie hatte zugenommen. Schrecklich! Eine Katastrophe! Wie sollte der König jemals wieder in
Leidenschaft für sie entflammen, wenn sie dick geworden war? »Ich habe es gewusst! Ich hätte nie mit dem Stillen anfangen dürfen! Was soll ich bloß tun?« Die Königin steigerte sich in einen Wutanfall hinein, als ob sie von einem Moment zum anderen alt und hässlich geworden wäre.
Jacquetta beging den Fehler, sie beruhigen zu wollen. »Tochter, im Allgemeinen nimmt man eher ab durch das Stillen. Überlegt Euch doch, ob ...«
»Nein! Ich bin eine Königin und keine Kuh! Ich habe den Kleinen nur an meine Brüste gelassen, weil er eines Tages König sein wird und ich gedacht habe, er habe ein Recht darauf, wenigstens für eine Weile Muttermilch zu kosten. Aber jetzt, oh, was soll ich nur tun .« Tränen und Wut waren bei Elizabeth Wydeville ein machtvolles und furchteinflößendes Zweigespann. Am besten, man wartete das Ende des Sturms einfach ab, was in diesem Fall ungewöhnlich schnell ging, weil Jacquetta durch einen kühnen Einfall allen Anwesenden weitere Schreckensstunden ersparte.
»Ich glaube, es ist eingegangen, Euer Majestät. Seht hier und hier. Ja, von der Taille bis zum Boden ist es viel kürzer geworden. Und das erklärt auch die Enge um Brust und Taille.« Das war eine kühne Logik, aber sie verfehlte ihre tröstende Wirkung nicht. »Diese dummen Waschfrauen - sie haben beim Waschen nicht aufgepasst, und das Kleid ist eingegangen. Man muss sie ausfindig machen und aus Eurem Dienst entfernen! So etwas kann unmöglich geduldet werden.«
Elizabeth Wydeville sah ihre Mutter aus einem tränenverschmierten, puterroten Gesicht an - das stand selbst einer Schönheit wie ihr nicht gut an. »Ja. Ja! Ihr habt recht, Mutter.« Sämtliche Frauen im Jerusalemzimmer wandten sich ab und bekreuzigten sich verstohlen. »Aber trotzdem. Der König muss in mir seine Königin sehen. Was gibt es denn noch Passendes und Sauberes anzuziehen nach diesen langen, trübseligen Monaten?«
»Euer Majestät?« Ein unscheinbares Mädchen trat hinter den anderen Frauen hervor. Eine richtige graue Maus war sie, aber der Blick aus ihren dunkelbraunen Augen in ihrem schmalen Gesicht war beunruhigend direkt.
»Ja, Lady Leonora?« Die Tochter des Grafen Shafton machte die Königin nervös, denn sie sprach kaum ein Wort und wirkte oft mürrisch. Immerhin war sie ihr in der Zeit des Asyls
Weitere Kostenlose Bücher