Der Triumph der Heilerin.indd
Auch sein Herz raste, wenn auch aus einem anderen Grund. In einer einzigen Nacht hatte er dem König die Tür geöffnet und war unangemeldet in das Schlafgemach seiner Herrschaft gerannt und hatte sie geweckt. Wo sollte das nur enden? Jetzt wollte er nur noch gesagt bekommen, was er tun sollte. Er konnte doch unmöglich nach unten gehen und munter mit dem König plaudern. Nein, am besten, er wartete hier, bis sein Herr fertig war.
»Walter? Was machst du hier? Warum bist du nicht unten beim König? Beeil dich, Bursche!«
Mathew Cuttifer war erst halb angekleidet. Er zerrte gerade an seinen Strümpfen und versuchte, sie an ein schief sitzendes Oberteil zu knöpfen. Aufgeregt blickte er sich um und suchte jemanden, dem er die Schuld geben konnte - die Logik der Angst.
Lady Margaret, ihr Kleid sittsam geschnürt - wie hatte sie das nur geschafft? - und ein schlichtes Tuch über den Haaren, die für die Nacht zu einem Zopf geflochten waren, versuchte vergeblich, ihren Gemahl zum Stillhalten zu bewegen, damit sie ihm beim Ankleiden behilflich sein konnte.
»Mathew! Halt! Bleib stehen. Wir werden das schon schaffen. Er ist allein gekommen - das sagt schon viel. Und jetzt lass dir bitte helfen, sonst sieht der König dich noch halb nackt. Das willst du doch nicht?«
Plötzlich stand Sir Mathew ganz still. Nein, das wollte er ganz sicher nicht. Er rief wieder nach dem Türwärter.
»Hinunter mit dir, Bursche! Weck den Koch auf - wir müssen unserem Gast Wein anbieten. Und Essen! Und sag dem König, dass wir gleich kommen.«
Walter zitterte am ganzen Leib. Unaufgefordert mit dem Herrscher sprechen, der sich eben erst in blutigen Schlachten nach London durchgeschlagen hatte? Das war eine sehr unbehagliche Vorstellung!
»Geh schon! Was wartest du noch? Geh!«
Walter sah den Blick seines Herrn. Den König kannte er nicht, aber er kannte Sir Mathew. Und da wusste er, mit wem er es lieber zu tun haben wollte. Rasch verneigte er sich und eilte davon.
»Halt! Fackeln! Zünde die Lichter an!«
Walter schluckte, auch das noch. Er verneigte sich noch einmal, und dann rannte er in kaum zwei Atemzügen vom Schlafgemach bis hinunter in den Empfangssaal. Träumte er, konnte er fliegen? Wie war er diese Treppen nur so schnell hinuntergekommen?
Und dann stand er plötzlich wieder vor dem König. Und während er sich in einem fort vor ihm verbeugte, hoffte er, dass es diesem furchteinflößenden Riesen nicht einfallen mochte, ihn anzugreifen, so wie er unzählige andere angegriffen hatte. Auch den alten König, der im Tower gesessen hatte. Angeblich war er erst gestern aus reinem Kummer gestorben, aber das glaubte Walter nicht. Er nicht.
Edward Plantagenet hatte in der Abwesenheit des Türwärters eigenhändig das Feuer neu angefacht, so dass nun ein heller Schein durch den großen Raum flackerte. »Mein Herr und Lady Margaret sind .«
»Hier, Walter. Und jetzt geh und tu, was Sir Mathew dir gesagt hat. Schaff Glühwein herbei und einen Imbiss für unseren König.« Lady Margaret, eine Hand leicht auf dem Arm ihres Gemahls gestützt, sprach mit einer klaren, tragenden Stimme, und ihr Tonfall ließ keinen Zweifel aufkommen.
Reiß dich zusammen, Walter. Immer eins nach dem ändern tun. Geh jetzt! Fast übermütig vor Erleichterung, dass er die Unterhaltung des Königs Geübteren überlassen konnte, rannte Walter in die Küche. Unterwegs fiel sein Blick zufällig auf die Füße seiner Herrin. Er stutzte. Nein, das bildete er sich nicht ein. Die Füße waren nackt. Und sie wusste es nicht. Sollte er es ihr sagen? Nein! Den Koch aufwecken, Glühwein holen .
»Ein tüchtiger Mann, aber ich vermute, Euer Majestät hat ihn etwas durcheinandergebracht.« Der Tuchhändler Sir Mathew Cuttifer war im Lauf seines Lebens schon am Hof von zwei Königen ein und aus gegangen, und dieser König, der so unerwartet in sein Haus gekommen war, hatte ihn persönlich zum Ritter geschlagen. Sie kannten sich schon sehr lange, aber Anne de Bohun hatte einen Zwist zwischen ihnen hervorgerufen, der niemals wieder richtig geschlichtet worden war. Und jetzt, erst an diesem Tag, hatte Sir Mathew gegenüber einem Boten des Königs geleugnet, dass er wusste, wo sie war. Konnte er auch den König anlügen, wenn dieser ihn persönlich fragte?
Edward lächelte den argwöhnischen Hausherrn und seine Gemahlin an. Er glaubte nicht eine Sekunde lang, dass Mathew Cuttifer nichts von Annes Verbleib wusste, aber er achtete die Treue unter diesen Freunden - er hätte
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