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Der Triumph der Heilerin.indd

Titel: Der Triumph der Heilerin.indd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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niedrig geborene Mätresse dem Vergessen anheimfallen. Und es gab viele Formen des Vergessens. Manche angenehmer als andere.
    Der Großkämmerer nahm den silbernen Kelch aus der Hand der jungen Frau entgegen und lehnte sich mit einem leichten Lächeln nach hinten. »Nun, welche Fragen sollte ich denn stellen, Lady?«
    Anne bemerkte sehr wohl den gönnerhaften Ton in seiner Stimme. Sie wusste, was er von ihr und ihrer Zukunft mit dem König hielt, trotzdem lächelte sie, denn sie besaß Sicherheiten und wusste Dinge, von denen er keine Ahnung hatte. »Da ich die Wahl habe, solltet Ihr mich lieber fragen, ob ich das Leben möchte, das er mir bietet, denn ich kenne den Preis dafür. Und Ihr solltet mich fragen, wer ich bin.«
    Etwas in ihrer Stimme setzte einen Keim des Zweifels in Williams Kopf. Was meinte sie damit: Wer ich bin?
    Anne sah zum Wasserfall, ihr Gesicht verdüsterte sich. »Und eines weiß ich bestimmt. Wenn es einmal um meine Zukunft gehen sollte, werde ich die Entscheidungen treffen. Nicht Ihr. Und auch nicht der König.«
    William Hastings wandte sich wieder seiner Pastete zu. Er musste erst einmal überdenken, was die Frau gesagt hatte. Zwischen ihnen entstand eine Stille, die er nicht brechen wollte. Er war nicht bereit, bei ihrem Spiel mitzuspielen. In Kürze würde er Anne de Bohun hier in diesem Garten, wo sie den König erwartete, allein lassen. Und er würde zum Palast zurückgehen. Er hatte sich entschieden.
    Anne de Bohun hatte das Unmögliche erreicht: Sie hatte ihm Angst gemacht. Sie war nicht einfach eine unbequeme und irritierende Mätresse des Königs, sie war viel mehr. Lady de Bohun vertraute ihrer Macht über Edward Plantagenet, und er, William, hatte gesehen, was diese Macht beim König anrichten konnte. Und sie glaubte, ihre Verbündeten und ihre angeblichen Freunde frei wählen zu können, falls sie an den Hof käme.
    Eines Tages könnte der König gezwungen sein, sich zwischen seinem besten Freund und der Frau, die er liebte, entscheiden zu müssen. Er, der Großkämmerer von England, durfte nicht zulassen, dass die Politik des Schlafzimmers England ruinierte, wie es schon einmal geschehen war. Und er wollte sich ebenfalls nicht ruinieren lassen.
    »Noch Wein, Lady Anne?«
    Die junge Frau schüttelte den Kopf, nahm sich etwas von ihrem Teller und tat so, als würde sie essen. Schweigend beendeten sie ihre Mahlzeit. Nach einer Weile erhob sich William Hastings, küsste Anne die Hand, verbeugte sich und ging. Vielleicht hatte der Mönch doch recht. Vielleicht war das Mädchen eine Hexe, so lächerlich dies auch scheinen mochte. Hastings warf verstohlen einen Blick zurück. Der geheimnisvolle »Gott« des Wasserfalls sah aus, als würde er auf die stille, weiße Gestalt auf der grünen Lichtung hinablächeln, als gehörte sie in seinen seltsamen Herrschaftsbereich.
    William Hastings zitterte. Alle Christen standen in der Pflicht, wenn es um Hexen ging, das ging aus der Bibel klar hervor. Er würde seine Pflicht tun. Sie hatte ihm keine andere Wahl

    Kapitel 77
    Als sich die Abenddämmerung über den warmen Tag legte, wurden im Turm die Lichter angezündet. Im Westen warf die Abendsonne lodernde Farben über den Himmel, Farben, wie sie ein Maler nicht besser hätte treffen können: Glutrot, Goldgelb und Schwarzblau. Und hinten im Garten beim Wasserfall kniete Anne in ihrem schimmernden, weißen Kleid und betete. Worum betete sie?
    Sie schlug die Augen auf. »Führe mich, Mutter. Hilf mir. Es ist zu schwer. Deborah hatte recht.«
    »Ich werde dir helfen, mein Herz. Hier bin ich.«
    Er war wirklich da. Der König hatte sie überraschen wollen, aber dann hatte er die Trauer in ihrer Stimme vernommen, und die machte ihm Angst. Anne drehte sich zu Edward um. Der Wind wurde stärker und strich seufzend durch die Zweige.
    »Ich sehe dich so gern an, Anne. Mehr brauche ich eigentlich nicht.« Eigentlich.
    Sie streckte ihre Hand nach dem Mann aus, den sie über alles liebte: Halte mich fest. Der König schlang seine Arme um Anne de Bohun. »Was ist mit dir, mein Herz? Sag es mir.« Die ewige Frage des Mannes an die Frau. Und wie viele Antworten es auf diese Frage gab, doch keine ließ sich in Worte fassen.
    »Fürchte dich nicht. Ich halte dich.« Edward zog sie noch fester an sich, und sie lächelte und lehnte sich an seine Brust. Sanft wiegte er sie hin und her, hin und her. Der König sah auf den Kopf hinab, der an seiner Brust ruhte. »Wovor hast du Angst, Anne?«
    »Es geht nicht darum,

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