Der Triumph der Heilerin.indd
ganzes Können war gefordert, sie, ohne Schaden zu verursachen, zwischen den im Hafen liegenden Karacken, Holks, Koggen und sogar einer großen Karavelle hindurchzusteuern.
Unter dem klaren Delfter Nachthimmel machten sie den ramponierten Achtersteven der Lady Margaret mit einer Bugleine am Kai fest. Nachdem Sturm, Angst und Kälte überstanden waren, wandte sich Anne in Gedanken dem nächsten Teil ihrer Reise zu. Wenigstens war es ihr wieder wärmer, nachdem sie ihr letztes, trockenes Kleid angezogen hatte. Ihre Kleider waren schlicht, aber von guter Qualität, es waren Kleider, wie sie die Frau eines Kaufmanns tragen würde. Anne wandte sich dem erschöpften Kapitän zu.
»Leif, ich muss Euch sehr danken und habe viel wiedergutzumachen. Nur dank Eures großen Könnens und Eurer Kraft sind wir hier. Ich bin Euch sehr, sehr dankbar.«
Leif antwortete nicht, sein Blick schweifte über das Deck seines Schiffs. Es war ein quälender Anblick, der ihm sehr zu schaffen machte. Er schüttelte den Kopf. »Mein Können? Ich bezweifle, dass mein Herr das so sieht.«
Die Lady Margaret sah aus wie ein Trümmerfeld. Die Hände eines riesigen Ungeheuers hatten sie auseinanderreißen wollen, und nachdem dies nicht gelungen war, hatten sie alles zerbrochen, was auf Deck zu finden war. Am schlimmsten hatte es den ganzen Heckaufbau getroffen.
»Leif, ich weiß, dass es Zeit und Geld kosten wird, den Schaden zu beheben. Ich kann das Geld dafür aufbringen.«
Er drehte sich ihr zu, seine Augen waren schwarz vor Zorn. »Ich hoffe, er ist das alles wert, Lady, für das Land und für Euch. Seinetwegen sind heute zwei Männer gestorben.«
Anne schwieg. Der Däne hatte recht. Seine Männer waren gestorben, damit sie zum König gelangen konnte. Noch eine Last, mit der sie leben musste. Aber auch sie war erschöpft. Ihre Zähne schlugen aufeinander, und ihre Kiefermuskeln verkrampften sich. Sie alle brauchten jetzt vor allem Essen, Wärme und Schlaf.
»Lasst uns morgen darüber reden. Und sucht Männer, die das Schiff reparieren können, solange wir« - sie unterbrach sich, weil sie ihr Reiseziel nicht aussprechen wollte - »solange wir fort sind. Und nun, was meint Ihr, finden wir hier einen Gasthof, der einigermaßen respektabel ist?«
Leif führte sie den Landungssteg hinunter, seine Finger verschränkten sich mit den ihren. »Kommt darauf an, was Ihr als respektabel bezeichnet, Lady.«
Anne lachte wider Willen. »Seehäfen. Ich muss dabei an Whitby denken. Damals, erinnert Ihr Euch?«
Er wünschte, sie hätte es nicht gesagt, ihn nicht daran erinnert. Er hatte seine Gefühle für sie im Kampf gegen den Sturm in den Hintergrund gedrängt. Und hier nun auf dem dunklen Kai - aus einer lärmenden Schänke stolperte ein Trunkenbold und schimpfte auf die, die drinnen saßen und vor Lachen brüllten - hier sah Anne Leif einen Moment lang in die Augen und gestand sich endlich ein, was sie bisher verdrängt hatte: dass dieser Mann mit Haut und Haaren der ihre war.
Als sie ihren Blick von ihm losriss, merkte sie, dass ihre Finger immer noch in seiner Hand lagen, in seiner großen, starken, vernarbten Hand. Ihre Hand sah im Vergleich dazu winzig aus. »Es tut mir so leid, dass alles so gekommen ist, Leif. Und es tut mir sehr leid um Eure Männer.« Vorsichtig löste sie ihre Hand aus der seinen und versuchte, einen scherzhaften Ton anzuschlagen, aber es gelang ihr nicht recht. »Ich habe den Sturm nicht bestellt. Bitte glaubt mir das.« Es sollte ironisch klingen, aber ihre Stimme brach, und sie sah plötzlich so aus, wie sie wirklich war: jung, verletzlich und von der Verantwortung niedergedrückt. Im Herzen des Seemanns vermischten sich Mitleid und Leidenschaft und nahmen ihm fast den Atem. Unwillkürlich streckte er seine Hände aus, um Anne zu umarmen - sie zu trösten und selbst Trost zu finden -, doch ein Blick von ihr hielt ihn zurück. »Essen. Und eine warme Stube?« Sie hatte ihre Stimme fast wieder unter Kontrolle. Sie durfte nicht nehmen, was sich ihr bot. Denn das hätte bedeutet, alles zu zerstören ... was alles? Jedenfalls zu viel, das wusste sie. Zu viel. Auch sich selbst.
Kapitel 16
»Aber warum nicht? Warum wollt Ihr mir keine Eskorte stellen? Fünf Tage im Sattel - vielleicht weniger -, und ich könnte in Brügge sein. Dann hätte dieser Unsinn endlich ein Ende. Zehn Männer, Louis, nur zehn von Euren Männern. Oder ich könnte die Franzosen nehmen, die wir mitgebracht haben. Gebt Euch einen Ruck, Louis. Dann wäre
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