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Der Triumph der Heilerin.indd

Titel: Der Triumph der Heilerin.indd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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die Wahrheit.«
    Anne seufzte. »Ich werde Euch die Wahrheit sagen. Aber nicht jetzt.« Sie verzog das Gesicht. Was für eine dumme Antwort. Nur die Erschöpfung konnte ihr diese Worte in den Mund gelegt haben.
    Sie ritten nach Süden und trafen kaum einen Menschen. Die Weihnachtszeit stand bevor, es wurde kälter, und auf den Feldern gab es nichts mehr zu tun. Der Winter war die Zeit für häusliche Arbeiten: Da wurde repariert, gesponnen und gewebt und am Feuer Geschichten erzählt. Die Frauen stillten die im Spätsommer geborenen Kinder, und jede Mutter hoffte auf ausreichend Nahrung und genug Milch, damit ihr Kleines das nächste Frühjahr erlebte. Edward und Anne waren aus dieser warmen Welt, dem Dunst von Familie und Herdfeuer, ausgeschlossen. Sie waren Ausgestoßene, Flüchtlinge. Welch eine Ironie des Schicksals: Edward erlitt dasselbe Schicksal, das Anne einst erlitten hatte, als er sie, die mit seinem Sohn schwanger gewesen war, aus England verbannt hatte. Das war beinahe fünf Jahre her.
    Richard von Gloucester galoppierte voraus und passte sein Tempo dem seines Bruders an. Er lächelte kurz zu Anne hinüber - er mochte diese Frau, mochte ihren Mut. Sie forderte nicht mehr als die Männer und lehnte jede Bevorzugung ab, wenn sie nachts ihr Lager aufschlugen. Und sie aß weniger als die anderen. Ja, er bewunderte ihre Haltung. Aber er hatte jetzt andere Sorgen als das Wohlergehen einer Frau, die sich in den Geschicken eines Mannes verstrickt hatte.
    »Edward, dort vorn ist ein Hof. Ein großer Bauernhof.«
    Es war später Nachmittag, die Helligkeit ließ rasch nach. Edward fiel von einem leichten Galopp in einen Trab. Anne spannte ihre Schenkel an, um das Gleichgewicht zu halten. Richard hatte recht. Vor ihnen im Dämmerlicht waren mehrere Gebäude zu sehen: ein großes Wohnhaus sowie Scheunen und Ställe. Aus einem der schmalen Fenster fiel Licht.
    »Halt«, rief Edward leise. Richard nahm den Befehl auf und gab ihn an die Männer weiter. Die walisischen Bogenschützen und die Söldner, die mit Margarets Geld als Geleitschutz angeworben worden waren, hielten vorsichtig ihre Tiere an. Der Weg wurde wenig genutzt und war nach der vergangenen Nacht noch vereist. Wurden die Pferde zu schnell zum Halten gebracht, drohte eine Katastrophe.
    »Aufstellung nehmen.«
    Die Männer gehorchten unverzüglich und stellten sich mit ihren Pferden in einer Zweierreihe auf. Die Adligen - William Hastings, Lord Rivers, Richard von Gloucester - hatten früher schon zu Edwards »Reitergarde« in England gehört. Sie folgten seinen Befehlen ohne zu fragen, denn sie vertrauten seinem Urteil. Die Bogenschützen hatten auf der wilden Jagd nach Lynn die Erfahrung gemacht, dass Edwards angeborene Führerschaft ihr Überleben sicherte. Und die Söldner gehorchten jedem, der sie bezahlte. Keiner stellte seinen Befehl in Frage.
    »Heute Nacht werden wir ausnahmsweise einmal im Warmen schlafen, meine Freunde.« Die Zähne des Königs blitzten, und sein Lachen steckte die anderen an. Seine Zuversicht war ermutigend. Als Soldaten waren sie an ein raues Leben im Freien gewöhnt, auch im Winter. Aber einmal eine Nacht nicht in Eiseskälte schlafen zu müssen, war für alle ein verlockendes Angebot.
    »Unser Gastgeber scheint uns schon zu erwarten. Wie freundlich von ihm.«
    Vor ihnen blinkte noch ein weiteres Licht auf, vielleicht eine Laterne. Sie erleuchtete die Außentreppe, die von den Wirtschaftsräumen zum Wohngeschoss führte. Offensichtlich erwarteten die Bauersleute Besucher, wenn auch andere als diejenigen, die gerade kamen.
    »Ganz still jetzt. Richard? William?«
    Er bedeutete seinem Bruder und seinem Kämmerer, die Führung zu übernehmen. Er selbst ließ sich in die Reihen seiner Männer zurückfallen, denn er wollte Anne keinem unnötigen Risiko aussetzen.
    Als sie am Fuß der kleinen Erhebung ankamen, auf der der Hof lag, sahen sie, dass er größer war, als sie von Weitem erkennen konnten. Derjenige, der den Hof ursprünglich dorthin gebaut hatte, hatte ein gutes Auge für eine günstige Verteidigungsposition gehabt. Das Haupthaus und die Wirtschaftsgebäude, die es umgaben, standen in einem Viereck. Und sie waren nicht aus Backsteinen, sondern aus massiven Natursteinen gebaut. Bei näherem Hinsehen entdeckten sie im Halbdunkel unterhalb des Ziegeldaches richtige Schießscharten. Es gab nur einen Zugang zum Wohnhaus, nämlich das eisenbeschlagene Tor zum Innenhof des Anwesens. Und dieses Tor war so in die Mauer eingelassen,

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