Der Triumph der Heilerin.indd
jetzt zu unterstützen, wo die Franzosen sich in der Picardie zusammenziehen und nur darauf warten, einzumarschieren, hieße, den Krieg herauszufordern. Außerdem bin ich finanziell zu knapp, die Mittel Burgunds sind erschöpft. Ich kann Euch nicht helfen, solange ich nicht genauere Informationen über die Situation in England und Louis' Pläne habe. Ich kann einfach nicht!«
»Aber während ich in s'Gravenhage bei de Gruuthuse eingesperrt war - vermutlich auf Eure Anweisung hin -, sind mir zahlreiche Gerüchte aus zuverlässiger Quelle zu Ohren gekommen, dass Ihr Warwick bei der Eroberung meines Königreichs unterstützt.« Edward war von eisiger Höflichkeit, aber nun war es endlich offen ausgesprochen.
Karl stand auf und schüttete den Bodensatz seines Weins in die Flammen, die wie eine Katze fauchten. Er antwortete nicht sofort, sondern schenkte sich erst aus einem Krug nach, der nahe der Feuerstelle stand. »Nun?«, fragte Edward scharf. Karl drehte sich um und sah in diese erbarmungslosen Augen.
»Ein Vorwand, Bruder. Das war nur eine List. Ich habe ihnen eigentlich kaum Unterstützung gewährt, ich wollte nur etwas Zeit gewinnen.«
Edward schnaubte. »Manche nennen das aber nicht nur einen Vorwand, Bruder.«
Karl war in seiner eigenen Unsicherheit gefangen. Gewiss, einige Monate lang hatte er nach beiden Seiten hin manövriert, aber dann war er schließlich doch ehrlich gewesen. Was er wollte und brauchte, das war Zeit. Zeit, um die Situation richtig einschätzen zu können, jetzt, wo Warwick das Haus Lancaster wieder an die Macht gebracht hatte. Zeit, um seine Armeen aufzurüsten für den Fall, dass er, gegen welchen Gegner auch immer - Frankreich oder England oder auch beide zusammen -, sein Land würde verteidigen müssen.
»Ihr verlangt zu viel, Edward, zu viel. Ich muss zuallererst an mein eigenes Land denken.«
»Euer Land? Welches Land? Noch seid Ihr nicht König, Karl, und Ihr werdet auch niemals König sein, wenn ich England nicht zurückbekomme und Euch gegen Louis unterstütze. Ihr seid ein Narr, wenn Ihr Warwick vertraut. Wie lange, meint Ihr, wird er sich halten, wenn Margaret von Anjou erst einmal in London ist? Sie wird die Stadt plündern und mit dem, was sie erbeutet hat, seine Vernichtung betreiben. Dann wird Louis gegen Euch losziehen, mit ihrer Hilfe und mit der ganzen Macht Englands im Hintergrund. Ihr schließt absichtlich die Augen!«
Die beiden Männer hatten sich erhoben, standen gefährlich nah am Feuer und starrten sich an, unerschrocken wie zwei Kampfhunde, die auf den ersten Schritt, die erste Schwäche des Gegners lauern.
Karls Stimme bebte vor Wut. »Mein Gott, Edward Plantagenet, ein Wort von mir, und meine Männer nehmen Euch gefangen, auch wenn Ihr noch so mutig redet. Ihr könnt nicht aus einem Kerker heraus kämpfen.«
Edwards Nackenhaare sträubten sich, und er spürte ein Kribbeln auf seiner Kopfhaut, als seine Haare, die im Schein des Feuers weizenblond leuchteten, sich aufrichteten. Er sah plötzlich noch größer, noch wuchtiger aus, und die Luft im Raum vibrierte gefährlich. Karl spürte bis in die Knochen eine urtümliche Angst, obwohl er sie, auch sich selbst gegenüber, nicht zugeben wollte.
Edward hatte seine Stimme kaum unter Kontrolle, als er antwortete. Er sah den Herzog mit stechenden Blicken an. »Wagt das nicht, Karl. Gott würde Euch strafen. Ich bin ein von Gott gesalbter König. Ihr nicht.«
Karl blinzelte und senkte dann den Blick. Es geschah unfreiwillig - er war ein tapferer Mann, das hatte er viele Male in der Schlacht bewiesen -, aber Edwards zornige glühende Augen erfüllten ihn mit einer abergläubischen Furcht. Edward Plantagenet war zwar ein entthronter König und, ja, sogar ein Thronräuber, doch er war immer noch der gesalbte König. Und er besaß eine unmäßige Selbstsicherheit. Vielleicht verstanden Könige ihr heiliges Amt besser als Herzöge.
Verärgert und beschämt über seine Verwirrung, fuhr sich Karl mit der Hand über die Augen, als wollte er die Wahrheit wegwischen wie ein lästiges Insekt. »Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass Ihr offiziell von niemandem unterstützt werdet. Und was auch immer in Zukunft geschehen mag, Louis muss auch weiterhin in diesem Glauben gelassen werden. Ich kann es mir nicht leisten, Euch zu helfen. Nicht jetzt, nicht zu diesem Zeitpunkt. Es ist nicht der richtige Moment dafür.«
»Aber Zeit kann in dieser Angelegenheit nichts mehr ändern, Karl.«
Der Herzog fühlte sich
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