Der Triumph des 19. Jahrhunderts
noch aufrecht standen. In einem anderen Tempel fand sich eine umgestürzte Säule aus dem schönsten egyptischen Granit. Ich entdeckte auch noch ein recht gut erhaltenes Stadtthor, aus drei mit Pilastern geschmückten Bogen bestehend. Das schönste Baudenkmal, welches ich jedoch fand, war eine lange, von einer anderen gekreuzte Straße, deren beide Seiten je eine Reihe korinthischer Säulen aus Marmor zierte, und welche in der Richtung nach einem halbkreisförmigen, von sechzig jonischen Säulen. eingefaßten Platze lief… Am Kreuzungspunkte der beiden Straßen bemerkte man an den vier daselbst gebildeten Ecken je ein großes Piedestal von bearbeiteten Steinen, die früher offenbar Statuen getragen haben… Noch erkennt man einen Theil des früheren Pflasters aus großen, zugeschnittenen Steinen. Ich zählte etwa zweihundert Säulen, welche noch heute ihr Simswerk trugen; die Zahl der am Boden liegenden ist freilich eine weit größere, denn ich sah eigentlich nur die Hälfte der Stadt, und es dürfte sich wohl in der andern Hälfte, jenseits des Flusses, noch eine Menge merkwürdiger Alterthümer finden.«
Nach Seetzen’s Ansicht kann Dscherrasch nur das alte Gerasa sein, eine Stadt, deren Lage in den Karten bis dahin stets unsicher bezeichnet war.
Der Reisende zog hierauf nach Serka, den Bezirk Jabok der hebräischen Geschichtsschreiber, der die Nordgrenze des Landes der Ammoniter bildet, und weiter durch El Belka, ein ehemals blühendes Land, das jetzt vollkommen verwildert und öde liegt, und in dem man nur einen einzigen Flecken, Szalt, das alte Amathusa, findet. Seetzen besuchte ferner Amman, ehedem das berühmte Philadelphia der zehn Städte, noch jetzt ein Fundort seltener Alterthümer; Eleala, eine alte Stadt der Amoriter; Madaba, das zu Moses’ Zeiten Madba hieß; den Berg Nebo, Diban, die Landschaft von Karrak, die Heimat der Moabiter; die Ruinen von Robba (Rabbath), der Sitz der früheren Könige des Landes, und er gelangte so nach vielen Mühen und Beschwerden durch ein bergerfülltes Gebiet nach der am Südende des Todten Meeres gelegenen Gegend, welche Gor es Szophia genannt wird.
Unter starker Hitze mußte der Reisende über ausgedehnte Salzwüsten ziehen, welche jeder Bewässerung entbehrten. Am 6. April gelangte Seetzen dann nach Bethlehem und bald darauf nach Jerusalem, gepeinigt zwar von den Qualen entsetzlichen Durstes, aber mit der Befriedigung, Landschaften kennen gelernt zu haben, die noch kein Reisender vor ihm betreten hatte.
Gleichzeitig sammelte er schätzbare Beobachtungen über die Natur des Wassers im Todten Meere, widerlegte so manche darüber verbreitete Fabel, verbesserte verschiedene Irrthümer in den sonst besten Kartenwerken, identificirte mehrere heutige Städte mit solchen des alten Peräa und bestätigte das Vorhandensein zahlreicher Ruinen, welche für den blühenden Zustand dieser Gegend zur Zeit der Römerherrschaft Zeugniß ablegen. Am 25. Juni verließ Seetzen Jerusalem und kehrte auf dem Meere nach Akka (St. Jean d’Acre) zurück.
»Diese Reise bildet einen wirklichen Entdeckungszug,« sagt Vivien de St. Martin in einem Artikel der »
Revue Germanique
« von 1858.
Seetzen wollte seine Entdeckungen jedoch nicht lückenhaft lassen. Zehn Monate später unternahm er eine zweite Reise um den Asphaltsee und vervollständigte seine früheren Beobachtungen nach vielen Seiten hin.
Später ging der Reisende nach Kairo, wo er zwei volle Jahre verweilte. Ebenda erwarb er die größte Zahl orientalischer Handschriften, welche den Reichthum der Bibliothek von Gotha bilden, und sammelte alle möglichen Nachrichten über das Innere des Landes, von denen er, durch vortrefflichen Instinct geleitet, aber nur diejenigen aufbewahrte, welche die Kennzeichen fast absoluter Verläßlichkeit an sich trugen.
Diese verhältnißmäßige Ruhe, so weit sie auch von eigentlicher Unthätigkeit entfernt war, konnte doch Seetzen’s unersättlichen Durst nach weiteren Entdeckungen nicht lange unterdrücken. Im April 1809 verließ er die Hauptstadt Egyptens und begab sich nach Suez und der Halbinsel des Sinai, den er näher besichtigen wollte, bevor er in Arabien eindrang. Im Ganzen sehr wenig bekannt, war Arabien bisher nur von Kaufleuten aus St. Malo besucht worden, die dahin kamen, um »die Bohne von Mekka« einzukaufen. Bis zu Niebuhr’s Zeit wurde auch keine wissenschaftliche Expedition ausgesendet, um die Geographie des Landes und die Sitten der Einwohner desselben zu
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