Der Triumph des 19. Jahrhunderts
Fortschritte skizziren.
Wenn wir die Weltkarte des Hekatäos, der fünfhundert Jahre vor der christlichen Zeitrechnung lebte, zur Hand nehmen, was zeigt uns wohl diese?
Die bekannte Erde umfaßt kaum das Becken des Mittelmeeres. Ihre der Form nach sehr falsch wiedergegebene Landmasse besteht aus dem kleinsten Theile Europas, aus Vorderasien und dem nördlichen Afrika. Rings um dieselbe fließt ein Strom ohne Anfang und ohne Ende, der den Namen Ocean führt.
Stellen wir nun neben diese Karte, neben dieses ehrwürdige Denkmal der Wissenschaft des Alterthums, eine Planisphäre der Erde aus dem Jahre 1840. Jetzt erscheint das Gebiet, welches Hekatäos nur sehr unvollkommen kannte, als ein verschwindendes Fleckchen auf dem großen Erdenrund.
Jener Anfangs-und dieser Endpunkt gestattet uns ein Urtheil über den Umfang der Entdeckungen.
Vergegenwärtigt man sich nur, welche Unmenge von Arbeit und Studien die Erkenntniß der ganzen Erdkugel nothwendig machte, so steht man voller Verwunderung vor dem Resultate der Bemühungen so vieler Forscher, so zahlreicher Märtyrer; man erkennt den hohen Nutzen jener Entdeckungen und die engen Beziehungen, welche die Geographie mit allen anderen Wissenschaften verknüpfen. Das ist der rechte Gesichtspunkt, auf den man sich stellen muß, um die ganze Tragweite eines Werkes, dem sich so viele Generationen widmeten, vollständig zu begreifen. Freilich sind es sehr verschiedene Motive, welche zu diesen Entdeckungen den Anstoß gaben.
Zuerst begegnen wir hier der naturgemäßen Neugierde des Eigenthümers, der danach strebt, den ganzen Umfang des von ihm besessenen Gebietes kennen zu lernen, die bewohnbaren Theile desselben zu vermessen, die Grenzen der Meere zu bestimmen; darauf treten die Anforderungen eines noch in der Kindheit befindlichen Handels in den Vordergrund, eines Handels, der nichtsdestoweniger schon die Erzeugnisse der asiatischen Industrie bis nach Norwegen überführte.
Mit Herodot tauchen höhere Ziele auf; jetzt macht sich das Verlangen geltend, die Geschichten, Sitten und Religionen fremder Völker kennen zu lernen. Später, zur Zeit der Kreuzzüge, deren unzweifelhaftestes Resultat die Anregung zu orientalischen Studien ist, treibt nur eine Minderzahl der Wunsch, den Schauplatz der Leidensgeschichte eines Gottes den Händen der Ungläubigen zu entreißen; für die Meisten bildet die rohe Plünderungssucht und der Reiz des Unbekannten die Triebfeder.
Wenn Columbus einen neuen Weg aufsucht, um nach den Gewürzländern zu gelangen und dabei Amerika findet, so treibt seine Nachfolger nur das Verlangen, schnell Schätze zu erwerben. Wie unvortheilhaft stechen diese gegen die edlen Portugiesen ab, welche die eigenen Interessen dem Ruhme und der kolonialen Machtentfaltung ihres Vaterlandes opfern und ärmer sterben, als sie es in dem Augenblicke der Uebernahme jener Aufträge waren, die sie so ehrenhaft ausführen sollten.
Im 16. Jahrhundert treibt das Bestreben, sich den religiösen Verfolgungen und den damals wüthenden Bürgerkriegen zu entziehen, die Hugenotten und vorzüglich jene Quäker nach der Neuen Welt, welche, durch Begründung der dortigen englischen Kolonialmacht, Amerika gänzlich umgestalteten.
Das nächstfolgende Jahrhundert befördert vor allem Anderen die Kolonisation. In Amerika errichten die Franzosen, in Indien die Engländer, in Oceanien die Holländer Comptoirs und Kaufläden, während Missionäre sich bemühen, das zur Unbeweglichkeit erstarrte Reich der Mitte für den christlichen Glauben und zeitgemäßere Weltanschauungen zu gewinnen.
Das 18. Jahrhundert, welches für das unserige die Wege ebnet, berichtigt lange Zeit geglaubte Irrthümer; es nimmt einzeln und genau Continente und Archipele auf, verbessert und vervollständigt die Entdeckungen seiner Vorgänger. Derselben Aufgabe widmen sich noch die Forscher der neuesten Zeit, welche danach trachten, auch den kleinsten Erdwinkel, das unscheinbarste Eiland nicht unbeachtet zu lassen. Demselben Ziele streben auch die unerschrockenen Seefahrer nach, welche die Eiswüsten der beiden Pole erforschen und das letzte Stück Schleier zerreißen, das einen Theil der Erdkugel unseren Blicken so lange Zeit verhüllte.
Jetzt also ist Alles bekannt, classificirt, katalogisirt und bezeichnet! Sollen die Ergebnisse so ehrenvoller Arbeit aber etwa in einem sorgfältig hergestellten Atlas vergraben werden, wo sie nur die Gelehrten von Fach aufsuchen? Nein! An uns ist es, die von unseren Vätern um den
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