Der Tschernobyl Virus
keine Frage.
»Jawohl Genosse General. Ich bin Igor Subchenko. Ich war dabei, als Borys angefallen wurde.«
»Von einer Katze, ich weiß«, der Offizier schien sich über seinen Kameraden lustig zu machen. Igor redete ihm ins Wort, »Das war keine normale Katze«, in dem Moment wusste er, dass das dumm gewesen war. Augenblicklich hielt er inne und nahm eine noch steifere Haltung an.
»Ich habe ihren Bericht gelesen«, wider erwarten ging der Offizier nicht auf diese Ungehorsamkeit ein und antwortete in einem ruhigen Ton, »sie hätten das Tier erlegen sollen. Dann wüssten wir jetzt, warum ihr Kamerad so krank ist. Wahrscheinlich könnten wir ihn so retten.«
»Meinen sie«, Igor zögerte, er wollte es nicht aussprechen.
»Ja, ich denke, wir können wenig machen. Jedenfalls die Ärzte hier nicht. Daher bin ich da. Mein Name ist übrigens Anton Mediev.«
Igor erschrak, Prof. Dr. Mediev war berühmt in der gesamten Armee, er war ein Virologe und war zu Sowjetzeiten angeblich auch an der Erforschung von biologischen Kampfstoffen beteiligt. Es gab vor einigen Jahren, kurz nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, eine Diskussion um illegale Test mit diesen künstlich erzeugten Viren. Doch Mediev war keine Schuld nachzuweisen gewesen und aufgrund seiner phantastischen Kompetenzen konnte man nicht auf ihn verzichten; so blieb er in der Armee und arbeitete sich immer weiter nach oben auf der Karriereleiter. Eigentlich hatte Igor gedacht, dass Mediev nicht mehr im Dienst sei; er hatte gehört, dass Mediev in den Ruhestand gegangen war. Jetzt stand dieser Mann vor Igor und war vielleicht Borys letzte Hoffnung.
»Setzen sie sich doch«, Medievs Ton wurde jetzt sanfter, »wie lange haben sie nicht mehr geschlafen?«
Igor setzte sich und sah den Generalleutnant verdutzt an, »Schon einige Zeit nicht mehr richtig, Genosse General.«
Jetzt setzte sich auch Mediev, »Wie geht es ihnen?«
»Nicht so gut«, Igor nahm die Hand vor den Mund und hustete etwas, »ich habe mich wohl etwas erkältet und ich bin ziemlich müde. Aber im Vergleich zu Borys geht's mir prächtig.«
»Ich werde ihn jetzt untersuchen«, der General sah Igor jetzt mit einem sanften Blick an, »dann werde ich auch sie untersuchen. Vielleicht haben sie sich ja bei ihrem Kameraden angesteckt. Ich verspreche ihnen, dass ich alles tun werde, um ihrem Kameraden und ihnen zu helfen.«
Ohne eine Antwort abzuwarten stand er auf und ging durch die gegenüberliegende Tür.
Dr. Mediev wirkte in den nächsten Tagen äußerst interessiert, nahm Borys ständig Blut ab und vermaß ständig den rasant wachsenden Kropf an Borys' linker Halsseite. Er versuchte verschiedene Medikationen und tüftelte manchmal bis in die tiefe Nacht in dem eigens für ihn eingerichteten Labor. Doch nichts schien anzuschlagen. Der Zustand von Borys verschlechterte sich zusehens. Und je schlechter es um Borys stand, desto kranker fühlte sich auch Igor. Er wurde immer schwächer, der Husten wurde immer schlimmer und schließlich hustete er Blut. Auch hatte er das Gefühl, dass sich eine Beule an seinem Hals bildete. Zwei Wochen nach dem Kratzer durch die Katze starb Borys qualvoll. Igor erlebte das nicht mit, denn er lag zu diesem Zeitpunkt bereits im Koma. Er hielt noch drei Wochen durch.
Kapitel 7 - heute
Bis vor einer Stunde war Dr. Marc-Andre Koch im Urlaub gewesen. Eigentlich hätte er noch 2 Wochen frei und wollte mit seiner Frau Ana und seiner sechsjährigen Tochter Nina nach Antalya fliegen. Es sollte eigentlich ein schöner Familienurlaub werden. Schließlich hatten er und seine Frau Ana viel zu wenig Zeit füreinander und vor allem für Nina gehabt. Der Job in der Klinik und als Ratgeber für die UNHCR ließen nur sehr wenig Zeit für Privates. Dadurch war es in letzter Zeit immer wieder zu Spannungen gekommen. Die hatten sich spürbar auseinander gelebt. Statt am Strand saß er nun in seinem Büro, aber der Anruf aus der Klinik war dringend gewesen. Jetzt saß er noch in Zivil im Arztzimmer und sah sich die Berichte über den Patienten mit den seltsamen Symptomen und über Schwester Monika an. Dr. Koch war im gesamten Uniklinikum für sein zielsicheres Gespür bekannt. Oft hatte er beim Lesen eines Krankenberichts schnell eine meist treffende Vermutung, was es sein könnte. Dieses Gespür machte ihn bereits mit seinen 32 Jahren zum stellvertretenden Chefarzt der Notaufnahme hier in Frankfurt. Zudem war er ein absoluter Spezialist im Bereich der Virologie. Er stand im
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