Der Tschernobyl Virus
entwickeln. Dazu habe ich vor kurzem gehört, dass es in den USA inzwischen eine Firma gibt, die Kerosin aus altem Pommes-Fett herstellt, schon auf industriellem Niveau. Auch bleibt mehr für all die anderen Dinge, für die man Öl braucht. Mit jeder Aspirintablette schlucken sie Öl. Haben sie Kinder?«
»Ja, eine Tochter«, Koch wusste nicht, worauf sein Kollege hinaus wollte.
»Dann haben sie ihre kleine Tochter auch sicherlich mit Pampers oder irgendeiner anderen Windelmarke gewickelt, oder?«
»Aber natürlich, aber was hat das mit der Atomkraft zu tun?“«
»Mit der Atomkraft gar nichts«, Lehman schüttelte den Kopf, »aber haben sie sich schon jemals überlegt, dass in allem, was aus Plastik ist, Erdöl steckt? So also auch in Windeln, Plastikspielzeug…und und und«, Lehman lachte, »jetzt habe ich sie wieder mit meinen Vorträgen gelangweilt.«
»Nein, nein«, Koch war sprachlos, »bei uns wird in der Regierung über eine Verlängerung der Laufzeiten für die Atomkraftwerke nachgedacht, weil das Öl so knapp wird.«
»Äpfel mit Birnen, das sage ich ihnen«, Lehman sah auf seine Armbanduhr, »es wird Zeit. Meine Frau fragt sich bestimmt schon, wo ich bleibe«, er stand auf, »Schlafen sie ein wenig. Morgen früh um neun hole ich sie ab, dann treten wir diesem Bastard von Virus in den Hintern.«
»Gute Nacht«, Koch prostete seinem Kollegen zu. Lehman nickte und ging hinaus.
Koch trank noch aus, blieb einen Moment sitzen und stand dann auf. Die ganze Nacht wälzte er sich auf dem gemütlichen Bett hin und her und dachte an die Dinge, die Lehman ihm erzählt hatte. Und immer wieder sah er diesen Breitenmüller vor sich. Der Kropf am Hals glänzte rot und leuchtete hell auf. Koch wusste, das hatte etwas zu bedeuten.
Kapitel 15
Thomas Karg unterdrückte seine Wut gegenüber der Uneinsichtigkeit der Politik. Während immer mehr Menschen krank wurden und starben, weigerte sich die Regierung immer noch, Quarantänezonen einzurichten. Er war voller Hoffnung zur Krisensitzung ins Kanzleramt gefahren, zumal er durch die Teilnehmerliste, sie enthielt außer der Kanzlerin auch den Innenminister Melchior und den Gesundheitsminister Jochen Bäntze, sowie den Beauftragten für Katastrophenschutz, erkennen konnte, dass diese Epidemie nicht auf die leichte Schulter genommen wurde. Doch schon schnell musste er erkennen, dass diese Sitzung nicht in die Richtung ging, die er erhofft hatte. Vor allem der Leiter des Krisenstabs, ein gewisser Johann Meinz, erschien Karg als eine totale Fehlbesetzung. Er war zwar erst seit wenigen Monaten stellvertretender Direktor des parlamentarischen Rats für Krisensituationen, doch er hatte seinen Ruf als humorloser und schroffer Bürokrat bereits zementiert. »Dr. Karg, besteht vielleicht die Möglichkeit, dass wir uns jetzt mit varicla major beschäftigen?«
Karg kochte, wen wollte dieser Typ eigentlich beeindrucken, wenn er mit lateinischen Fachausdrücken für Virenstämme um sich warf? Selbst Experten, zu denen Meinz keineswegs gehörte, nannten das, worum es bei diesem Ausdruck ging, schlicht Pocken. Doch Karg weigerte sich, sich von Meinz vor dem gesamten Komitee in eine Auseinandersetzung hineinziehen zu lassen.
»Pocken wären kein Problem«, sagte er, und obwohl er sofort erkannte, wie missverständlich dieser Satz war, formulierte er ihn nicht noch einmal neu. »Die Produktion eines Impfstoffs wäre Routine und außerdem handelt es sich hierbei in keinster Weise um Pocken.«
Meinz wirkte einen Moment irritiert und zupfte kurz an seiner Krawatte.
»Um was handelt es sich denn genau?«, die Kanzlerin setzte der kleinen Auseinandersetzung ein Ende. Karg wollte gerade antworten, als Meinz seine Sicherheit wiedergefunden hatte, »Es ist eine Art Grippevirus.« Karg schüttelte den Kopf, doch bevor er antworten konnte, brachte der Gesundheitsminister zum ersten Mal seit der Begrüßung ein Wort über seine Lippen, »Dann müssen wir die Menschen doch nur impfen.«
Jetzt musste Karg einfach etwas sagen, »Das bringt doch nichts.«
Plötzlich war es totenstill, alle starrten ihn an. Die Kanzlerin fand als erstes ihre Worte wieder, »Bitte erklären sie uns das.«
»Wäre es ein normaler Grippevirus, dann hätten wir keine großen Probleme, dann wäre die Epidemie schnell vorbei.«
»Wieso das?« Martin Zipper, der Beauftragte für Katastrophenschutz, wirkte von allen noch am meisten daran interessiert, das Problem zu lösen und nicht sein Ego zu stärken.
»Was
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