Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
der Tür, die eher ein Verschlag war, mit funkelnden Augen ins Licht starrend? Ich spürte eine plötzliche, unselige Erregung, als der Stadtknecht die Klappe öffnete, und ich zuckte beinahe zurück, als mir der dumpfe Erdgeruch eines unbelüfteten Kellers ins Gesicht schlug.
    Der Stadtknecht streckte den Kopf in die Öffnung. Ich hielt den Atem an. Nach einem Moment sagte er: »Könnt Ihr mit der Kerze einmal hereinleuchten?«
    Ich gab ihm den kleinen Stummel, und er kroch halb in die Kelleröffnung hinein und spähte herum.
    »Nichts zu sehen«, sagte er. Seine Stimme klang hohl ins Freie. »Wollt Ihr selbst einmal nachsehen?«
    Er rappelte sich umständlich hoch und machte mir Platz. Ich nahm ihm die Kerze ab. Ihr Licht bewirkte nicht viel: Ich sah ein paar Stufen aus Backsteinen, die nach unten führten, und einen kleinen Raum, dessen Decke kaum hoch genug war, um darin aufrecht stehen zu können. Der Boden bestand aus unebener, schlecht gestampfter Erde, aus der die hellen Punkte der Flußkiesel leuchteten. Am liebsten hätte ich über das Gefühl gelacht, das mich beim Öffnen des Kellers befallen hatte.
    Ich kam wieder ins Freie und sagte: »Nichts Neues. Machen wir die Tür wieder zu und verschwinden wir.«
    Er schob den Riegel in die Öse und hängte das Schloß ein, dann sah er mich nachdenklich an. Ich konnte beinahe erkennen, wie er die Frage zurückdrängte, wonach ich eigentlich gesucht hatte.
    »Ob dies hier einmal als Familiengruft geplant gewesen war?« fragte er schließlich.
    »Ich kenne das Haus nicht besser als Ihr«, sagte ich erstaunt. »Weshalb fragt Ihr?«
    »Wo ich lebe, bin ich Maurergeselle«, erwiderte er. »Wir haben schon mehrmals Grüften ausgebaut oder ausgebessert. Der Anblick dieses Lochs hier hat mich daran erinnert.«
    »Inwiefern?«
    »Wißt Ihr, manchmal muß der Totengräber die früher vergrabenen Särge wieder ausgraben, um sie anders zu legen und Platz zu schaffen für die Neuankömmlinge. In der Regel gräbt er dazu den Boden einmal um, damit die verstreuten Überreste eines früher Begrabenen aufgesammelt und neu bestattet werden können. Der Boden – sieht danach genauso aus wie der dort unten.«
    Ich starrte ihn an.
    »Mich wundert nur«, fuhr er fort, »wie man dort eine Gruft anlegen konnte. Draußen fließt doch gleich der Fluß vorbei. Der Teufel soll mich holen, wenn man tief genug graben kann, um Platz für einen Sarg zu haben, ohne daß man auf das Grundwasser stößt.«
    Es gab ein weiteres flußseitig gelegenes Wohngebäude in diesem Teil der Gasse; ein Lagerhaus und ein alter, offensichtlich aufgegebener Schuppen befanden sich zwischen ihm und dem Haus des Dietrich Reckel. Ich hatte es niemals beachtet und auch keinen Gedanken daran verschwendet, ob es bewohnt war oder leerstand. Jetzt allerdings, als wir daran vorbeimarschierten, sah ich eine kleine Gruppe vor der offenen Tür stehen und neugierig zu uns herüberspähen. Es waren drei Menschen, ein sehr alter Mann und zwei Frauen, und als wir auf gleicher Höhe mit ihnen waren, sprach mich der alte Mann an.
    »Ist etwas nicht in Ordnung?« fragte er. Er hatte eine helle, rauhe Greisenstimme, die nicht recht zu seinem schweren Körperbau passen mochte und die man dennoch recht oft an massigen Menschen hört. Er sprach die hiesige Ausfärbung der bayrischen Sprache, aber es klang bemüht, als wäre er lange weg gewesen und könne sich nur noch mit Mühe wieder darein finden.
    »Wie kommt Ihr darauf?« fragte ich vorsichtig zurück. Ich warf einen raschen Blick auf meine zwei behelmten Begleiter, aber ihre Gesichter waren ausdruckslos. Sie würden nur reden, wenn sie etwas gefragt wurden.
    »Ihr wart doch drüben in dem leerstehenden Haus, nicht wahr?«
    »Und wenn?«
    Er lachte plötzlich.
    »Entschuldigt«, sagte er. »Ich vergesse die einfachsten Formen der Höflichkeit. Mein Name ist Leutgeb; ich wohne hier mit meiner Familie.«
    Die beiden Frauen nickten mir zu, und ich reichte ihm die Hand.
    »Peter Bernward von Säldental«, sagte ich.
    »Ich freue mich«, sagte er. »Bitte verzeiht meine Aufdringlichkeit, aber das Haus dort drüben steht schon seit Jahrzehnten leer, und wenn jemand sich plötzlich dafür interessiert, wird man neugierig.« Ich sah ihn einen Moment lang schweigend an, während ich mir meine Antwort überlegte. Er wirkte alt genug, um den Schatten des Sensenmannes schon an seinen Fersen zu spüren, aber seine Augen waren wach und musterten mich mit einem unangenehm stechenden Blick. Es

Weitere Kostenlose Bücher