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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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dem, daß sowohl seine Neugier als auch seine Offenheit mich vollkommen überrascht hatten.
    Und ich war wütend darauf, wie sich die Dinge entwickelt hatten. Ich war mir sicher, daß das alte Haus und seine geheimnisvollen Insassen den Schlüssel zu dem Mord besaßen; aber wie es schien, waren sie mir davongeflogen wie eine Fliege, die man erwischt zu haben, deren Summen in der Faust man zu hören glaubt, und wenn man die Faust öffnet, stellt man fest, daß sie die ganze Zeit über leer war.
    Als ich an Sebastian Löws Haus vorüberkam, blieb ich aus einem Einfall heraus stehen und öffnete die Tür. Ich klopfte an sein Apothekerzimmer. Er öffnete selbst die Tür.
    »Herr Bernward«, sagte er. »Ich freue mich über Euren Besuch.«
    Dann musterte er mich eingehend. Seine Miene verdüsterte sich.
    »Was ist Euch denn zugestoßen?« fragte er und wies auf meine zerschundene Wange.
    Ich dachte an die Frage des Flößers. »Ich bin vom Pferd gefallen«, log ich.
    Er grinste plötzlich fröhlich.
    »Habt Ihr einen Geschäftsabschluß zu sehr gefeiert?«
    »So etwas Ähnliches«, sagte ich. »Wollt Ihr vielleicht versuchen, mir eine Salbe dafür zu verkaufen?«
    »Ich werde Euch im Gegenteil etwas zu trinken anbieten«, sagte er und zog mich am Ärmel in sein duftendes Reich. »Was haltet Ihr von einem gut abgelagerten Birnenschnaps?«
    »Ich will Euch keine Umstände machen«, wehrte ich ab.
    »Ach was. Das ist eine Medizin. Danach werdet Ihr Euch drei Tage lang an mich erinnern, zumindest jedesmal, wenn Ihr auf den Abtritt rennen müßt.«
    Ich sah ihn bestürzt an, und sein Gesicht verzog sich zu einer komischen Grimasse aus Heiterkeit und Bedauern.
    »Ein Scherz«, sagte er hastig. »Wirklich nur ein Scherz. Entschuldigt.«
    »Ich muß mich entschuldigen. Ich bin ein wenig schwerfällig. Ich denke über etwas nach.«
    »Etwas, wobei ich Euch helfen kann?« fragte er gespannt. Er reckte sich, bis er in ein höher gelegenes Fach in einem seiner Regale fassen konnte; seine Hand kam mit einer dunklen Flasche wieder zum Vorschein.
    Ich nickte.
    »Was sagt Euch der Name Leutgeb?« fragte ich. Er mußte nicht lange überlegen.
    »Das Haus weiter oben zwischen den Stadeln gehört der Familie von Wolf gang Leutgeb. Sie bewohnt es schon seit drei Generationen.«
    In einem anderen Fach fand er zwei Gläser, die er mit dem Jackenärmel putzte. Er hielt sie gegen das spärliche Licht, das durch das Fenster fiel, und war mit ihrem Aussehen zufrieden. Aus der Flasche schenkte er eine hell goldfarbene Flüssigkeit in die Gläser und reichte mir eines.
    »Auf Euer Wohl«, sagte er.
    Wir tranken. Er hatte wirklich nur einen Scherz gemacht, als er mir die Folgen des Genusses eines von ihm gebrauten Schnapses beschrieben hatte. Der Alkohol lief samten und ölig meine Kehle hinunter und hinterließ einen angenehmen scharfen Geschmack nach gärenden Birnen, als wäre ein Sonnentag darin eingefangen.
    »Ich bin dem alten Leutgeb begegnet«, erzählte ich. »Er machte einen merkwürdigen Eindruck auf mich.«
    »Das würde mich nicht wundern«, erwiderte er, und ich konnte erkennen, daß er ein Grinsen unterdrückte. »Wenn er nicht schläft oder den Stadtrat mit seinen Nörgeleien belästigt, hängt er am Schnapsfaß. Prosit.«
    Er trank den Rest seines Glases leer und schenkte sich und mir nach, bevor ich es verhindern konnte. Dann verkorkte er die Flasche und stellte sie wieder beiseite, als wollte er eine weitere Versuchung verhindern.
    »Ich hatte nicht das Gefühl, einen Säufer vor mir zu haben.«
    »Tatsächlich? Ich dachte immer, man sähe es ihm im Dunkeln an. Aber vielleicht habe ich als Apotheker einen Blick für solche Dinge.«
    »Weswegen trinkt er? Wißt Ihr es?«
    Er hob die Schultern und sah einen Augenblick ins Leere.
    »Es gibt viele Gründe, die einen Mann dem Schnaps zutreiben«, sagte er. »Und was für den einen ausreichend erscheint, wäre für den anderen lächerlich. Ich nehme an, daß das Unglück seiner Sippe auf ihm lastet.«
    »Welches Unglück denn?«
    Er blickte mich an und lächelte schwach.
    »Christian Leutgeb war einer der Rädelsführer des Bürgeraufstands vor sechzig Jahren. Er war der Bruder von Wolf gang Leutgebs Großvater. Der Herzog ließ damals sein ganzes Hab und Gut pfänden, seine Familie vertreiben; er selbst wurde verstümmelt und hingerichtet. Etliche Jahre danach hat man sein Haus der Familie seines Bruders zurückgegeben. Dieser hat den Namen Leutgeb wieder zu einem geachteten Begriff in

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