Der Tuchhändler (German Edition)
wertvolle Dienste er für den Herrn vom Feld geleistet habe. Daraufhin wurde er zuerst ärgerlich.«
»Und dann?«
»Dann lachte er und sagte: ’Wie der Herr, so das G’scherr.’«
Ich schwieg einen Moment lang, verblüfft, wie elegant er sich mit dem holländischen Kaufmann geschlagen hatte.
Er legte das Schweigen falsch aus, denn er fügte hastig an: »Ich dachte, es wäre in Eurem Sinn. Dadurch könnt Ihr mit ihm über ein paar Prozente verhandeln.«
Ich zwang mir ein Lächeln auf die Lippen. Ich war nicht ärgerlich auf ihn, nur zu sehr erstaunt. Ich hatte ihm diese Beweglichkeit nicht zugetraut. Schließlich streckte ich eine Hand aus, und er schlug zögernd ein.
»Die Bemerkung des Holländers betrachte ich als Kompliment«, sagte ich. »Für mich.«
Er errötete. Ich hatte ihn noch nie erröten sehen. Ich hatte ihn auch noch niemals derartig gelobt. Als ich mich umsah, bemerkte ich, daß das ganze Gesinde mit großen Augen auf unsere verschränkten Hände blickte, und ich drückte noch einmal demonstrativ zu und klopfte ihm mit der anderen Hand auf die Schulter.
»Wie wäre es, wenn du die Verhandlungen mit dem Holländer zu Ende führtest?«
Er zögerte nicht zuzugreifen. In den ganzen Jahren hatte ich ihn kaum jemals wirklich Verantwortung übernehmen lassen.
»Natürlich; ich werde Euch nicht enttäuschen, Herr«, versicherte er rasch.
Er stand auf und gab dem Gesinde ein Zeichen, und sie wünschten mir eine gute Nacht und verließen die Stube. Zwei ältere Frauen blieben zurück und räumten das Geschirr ab. Der Verwalter griff mit zu und folgte ihnen hinaus, während ich allein in der Stube zurückblieb und überlegte, ob ich mich nicht doch selbst mit den Verhandlungen hätte beschäftigen sollen und mich gleichzeitig fragte, warum es mir immer so schwerfiel, Vertrauen zu meinen Angestellten zu haben. Oder zu sonst jemandem.
Am folgenden Morgen hatte ich die Einkaufsverhandlungen mit dem holländischen Kaufmann wieder verdrängt. Ich fand langsam in meine alte Gewohnheit zurück, mit dem Essen am Morgen zu warten, bis das Gesinde die Stube verlassen hatte; so betrat ich den Raum, als sie gerade nach draußen drängten. Als ich im Bett gelegen hatte, war ihre Unterhaltung bis in meine Schlafstube herüber gedrungen: Sie klang deutlich ungezwungener als während der letzten Tage, in denen ich mich zu ihnen gesellt hatte. Vermutlich waren sie dankbar, daß ich sie wieder in Frieden ließ. Sie grüßten mich höflich, und ich trat beiseite; sie schoben sich aus der Tür und verschwanden in den verschiedenen Stuben und Kammern im Haus, um nach ihren Schuhen und ihren Werkzeugen zu suchen. Ich setzte mich und grübelte darüber nach, wie ich weiter vorgehen sollte. Seit dem zweiten Überfall schleppte ich den Gedanken mit mir herum, dem Kanzler einen Boten zu senden und ihn davon zu überzeugen, die Hochzeit nochmals zu verschieben, um nicht das Leben des Kaisers zu gefährden. Ich war mir sicher, daß auch Hanns Altdorfer daran dachte und nur wartete, bis ich diesen Vorschlag aussprach. Aber es war ein gewaltiger Schritt, und noch schien es mir zu früh, ihn zu tun. Offensichtlich teilte Richter Girigel meine Meinung, sonst hätte er in seinem Antwortschreiben auf Altdorfers eilige Botschaft selbst einen derartigen Vorschlag gemacht. Es sah so aus, als läge die Angelegenheit weiterhin in meiner Hand. Ich wußte nicht, ob ich darüber froh sein sollte.
Ich hörte das Gesinde draußen mit ihren Holzschuhen poltern und ihre gedämpften Stimmen. Plötzlich wurde das Gemurmel lauter. Sie riefen durcheinander, als wäre jemand eingetroffen, mit dessen Erscheinen sie keinesfalls gerechnet hatten. Ich dachte: Tannberger ist wieder zurück; aber es war nicht möglich, daß die Flöße schon in Landshut angekommen waren. Dann dachte ich: Er ist ohne die Flöße zurückgekommen; er hat seine Aufgabe nicht bewältigt. Ich zuckte zusammen, als jemand ungestüm die Tür aufriß, doch der Ankömmling war nicht Jörg Tannberger, sondern Daniel, mein Sohn. Er stand mit verlegenem Lächeln auf der Schwelle.
Ich fuhr voller Verblüffung auf und stieß an den Tisch; mein halbvoller Becher mit Milch geriet ins Schwanken und vergoß einen großen Schluck auf die Tischplatte.
»Daniel«, rief ich überrascht.
Er deutete auf den Tisch, auf dem die Milch schwamm, und sagte fröhlich: »Ist das Schreck oder die Freude, mich wiederzusehen, Vater?«
»Die Freude, du Dummkopf«, entgegnete ich heftig. Ich stand noch
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