Der Tuchhändler (German Edition)
mit dem Herzog Ludwig und damit mit dem Reich keine Chance hat – noch dazu, da er auch in Ungarn selbst mit einer Opposition zu kämpfen hat, die lieber König Kasimirs zweiten Sohn als ihn auf dem Thron sähe. Er hat den Waffenstillstand nur unterzeichnet, weil er uns militärisch nicht gewachsen ist; und unter seinem Schutz sieht er jetzt eine günstige Gelegenheit, die Achse zwischen König Kasimir und dem Reich zu zerstören, indem er die Hochzeit zwischen der Prinzessin und dem jungen Herzog zu verhindern versucht.« Er hob eine Hand und ballte sie zur Faust. »Man sollte ihm eine Tracht Prügel verabreichen, wie es sich für einen Bauern gehört.« Er holte seinen Blick aus den Niederungen der polnischen Politik zurück und f okussierte seine roten Auglein wieder auf mich. Ich erkannte, daß es ihm mittlerweile Mühe bereitete.
»Euch sollte man auch eine Tracht verabreichen; Euch und den feinen Herren, die Euch zu mir geschickt haben. Ich lasse mich nicht von Euch aufwiegeln, weder gegen meinen König noch gegen Euren Herzog, den ich als feinen Mann kennengelernt habe. Verschwindet aus meinem Haus.«
Er stand auf und warf sich in eine drohende Pose. Sie verfehlte ihre Wirkung, da er viel kleiner war als ich und sich mit beiden Händen an der Tischkante festhalten mußte. Ich ging dennoch ohne ein weiteres Wort. Wäre ich der gewesen, für den ich mich ausgegeben hatte, hätte ich über sein Pathos gelacht. So aber konnte ich nicht verhehlen, daß mich seine Loyalität beeindruckte. Er war ein Trunkenbold, und er mochte hinter den Weibern her sein, aber in seiner Ergebenheit den Herren gegenüber, denen er zu dienen sich verpflichtet hatte, bewies er eine gewisse Würde, die anderen Männern mit größerer Sittenstrenge fehlte. Ich verließ sein Haus und ritt durch die Spiegelgasse weiter zur Altstadt hinüber. Ich mußte mich erneut mit Hanns Altdorfer absprechen.
Die Altstadt war noch immer ein einziger Tumult, und ich versuchte, mein Pferd bei den Wappnern am Ländtor unterzustellen, aber die Männer weigerten sich, darauf aufzupassen; sie hatten alle Hände voll zu tun, um die Scharen von Ochsen und Schafen in die richtigen Bahnen zu leiten, die mittlerweile auf den ersten Flößen vor der Stadtmauer landeten. Ich ritt zur Altstadt hinauf und versuchte mein Glück ebenso vergeblich bei der Baustelle und beim Rathaus. Es gab vor vielen Häusern Pfosten und kleine Vordächer, unter die man sein Pferd stellen konnte, aber es schien mir nicht ratsam, mein Reittier ohne Bewachung zurückzulassen. Eine Menge Gesindel trieb sich in der Stadt herum, zur Zeit noch verstärkt durch die Attraktivität der bevorstehenden Hochzeitsfeiern, und so mancher Gutgläubige fand sein Pferd ohne Zaum und Sattel wieder – oder Zaum und Sattel ohne Pferd. Schließlich sah ich mich gezwungen, den Gaul in die Obhut eines Gasthauses zu geben, dessen Wirt mit unschuldiger Miene sechs Pfennig bis zum Abend veranschlagte, Heu und Stroh nicht inbegriffen, und verlangte, ich müsse das Pferd bis zum Abendläuten wieder entfernt haben, weil er zu diesem Zeitpunkt eine Menge Gäste erwarte. Ich zahlte zähneknirschend und beschloß, diesen Posten dem herzoglichen Kanzler gesondert in Rechnung zu stellen, um ihm zu zeigen, wie sehr die Prunksucht seines Herrn die Landshuter Wirte verdarb. Danach machte ich mich auf den Weg zu Sebastian Löw, um zuerst meine Schulden zu bezahlen.
Die Altstadt war in der Zwischenzeit buchstäblich zu einem gefährlichen Pflaster geworden; über den getrockneten Dung von gestern legte sich als Schmierschicht der Kot der Ochsen und Schafe, die vom Ländtor her und der Ländgasse quer über die Straße zu den Fleischbänken getrieben wurden. Ich balancierte vorsichtig hinüber und wartete eine Pause im Viehtrieb ab, um mich zu Löws Haus hindurch zu zwängen. Wie auch schon gestern stand eine Menge Volks Spalier und beobachtete die Bemühungen von Wappnern und Viehtreibern, ihre Neugier ungetrübt von dem beißenden Gestank der Ausdünstungen und der dicken Schichten aus antrocknendem Kot.
Es hatte sich wohl herausgestellt, daß die kleinen Flößertore in der Stadtmauer zu eng für die mächtigen Leiber der Schlachtochsen waren; man trieb sie deshalb kurzentschlossen durch das Ländtor und an der Baustelle der Kirche vorbei die Altstadt hinunter. Durch die Bauhütten und das herumliegende Material wurde der Weg dort jedoch zu einem Nadelöhr, und ich konnte mir vorstellen, daß der mächtige Hans
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