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Der Turm der Könige

Der Turm der Könige

Titel: Der Turm der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nerea Riesco
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ansahen.
    »Was ich sagen will«, erklärte er, »ist, dass wir zurücktreten und diese Spur mit Abstand betrachten müssen. Der Schlussstein zeigt nicht nur einen Schachzug. Er teilt uns mit, dass die darauf dargestellten Personen von besonderer Bedeutung sind. Sie weisen auf einen bestimmten Moment in der Geschichte hin, und dieser Moment ist der Ausgangspunkt unserer uralten Verpflichtung … unserer Suche.«
    »Fassen wir zusammen«, sagte der Prior und erhob die Stimme. »Am Tag der Einnahme Sevillas wurden die Kapitulationsbedingungen festgelegt, die auch den Zusatz mit den Bedingungen der umstrittenen Wette enthielten. Der damalige Kronprinz Alfons bestimmte den Johanniterorden dazu, sie aufzubewahren, und über zweieinhalb Jahrhunderte waren unsere Ordensbrüder die stolzen Bewahrer dieses Dokuments. Sie versteckten es in der Bibliothek, einem der sichersten und sagenumwobensten Räume der Komturei San Juan de Acre. Doch im Jahr 1500 kam das Unglück über sie, und dieser Hort des Wissens wurde ein Raub der Flammen. Mit Glück konnten die Ordensbrüder den Kapitulationsvertrag retten, bevor das Feuer ihn zerstörte. Aber sie argwöhnten, dass das Unglück von jenen verursacht worden war, die immer gegen die Wette gewesen waren: die Ritter des Calatrava-Ordens. Da sie befürchteten, dass diese einen erneuten Anschlag auf das Schriftstück unternehmen könnten, beschlossen sie, es aus der Komturei zu schaffen.«
    Der Prior räusperte sich mehrmals, bevor er weitersprach.
    »Wie aus den Geheimarchiven hervorgeht, übergaben sie das Dokument Don Manuel López de Haro, einem unserer Ordensbrüder und Mitglied der ›Vierundzwanzig‹, also ein direkter Nachkomme der ersten Bewohner der Stadt. Er war Besitzer einer der angesehensten Druckereien von Sevilla – ein Ehrenmann, keine Frage. Nur wenige wussten, dass er von diesem Moment an der Bewahrer unserer größten Verpflichtung war. Der damalige Prior glaubte, dass der Kapitulationsvertrag in den Händen des Druckers sicher sei, und tatsächlich war es eine Zeitlang so. Doch er unterschätzte die Macht seiner Widersacher. Drei Jahre später wurde auch die Druckerei der López de Haros bei einem Brand zerstört. Es konnte keinen Zweifel mehr geben, dass die Verräter überall waren. Das Dokument wurde auf wundersame Weise gerettet, aber es war in ernstlicher Gefahr. An dieser Stelle verliert sich seine Spur. Alles, was wir wissen, ist, dass Don Manuel López de Haro 1509 nach Amerika ging, um die ersten Druckereien in Mexiko aufzubauen. Seine Söhne blieben in Sevilla und kümmerten sich um das Familienunternehmen. Drei Jahre darauf starb Don Manuel auf der anderen Seite des Ozeans, ohne enthüllt zu haben, ob er das Dokument in die Neue Welt mitgenommen oder es hier an einem sicheren Ort zurückgelassen hatte. Ein großes Geheimnis …«
    »Zumindest, was unsere – also die christliche – Kopie betrifft«, warf León ein. »Ihr wisst, dass ich während meiner Gefangenschaft bei den Janitscharen von dieser Wette hörte. Ich bekam das besagte Dokument zwar nicht zu Gesicht, aber es wurde gemunkelt, dass die Muslime eine Kopie des Kapitulationsvertrags und eine Dokumentation der Schachpartien besäßen, die sie zu den rechtmäßigen Herren der Giralda mache.«
    Bruder Dámaso schüttelte den Kopf.
    »Ich weiß, was Ihr sagen wollt«, fuhr León fort. »Soweit Ihr wisst, spielten König Alfons und Axataf nur vier Partien. Offenbar gewann der weise König die beiden ersten und der Maure die anderen beiden: ein Unentschieden. Leider hinderten die Fährnisse des Lebens sie daran, die letzte Partie zu spielen, die entschieden hätte, wer der Sieger war.«
    »Exakt. Es wäre absurd, wenn unser Orden Jahrhunderte damit verbracht hätte, zukünftige Spieler auszubilden, Jahrhunderte, in denen wir den Besten suchten, wenn die Wette bereits entschieden wäre«, sagte Bruder Dámaso zu León, ein verschwörerisches Lächeln auf den Lippen.
    »Ja, da habt Ihr ganz recht. Aber das alles nützt uns nichts … man muss es beweisen! Und das ist meine Mission. Deshalb bin ich nach Sevilla gekommen. Wir müssen unsere Kopie der Kapitulationsverträge mit dem Zusatz finden, in dem steht, dass keiner der beiden Herrscher drei Partien gewinnen konnte. Ohne sie können wir nichts beweisen.« Und mit leiser Begeisterung in der Stimme setzte er hinzu: »Und wenn es stimmt, dass noch eine Partie zu spielen ist, wird es mir eine Ehre sein, die christlichen Figuren zu

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