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Der Turm der Könige

Der Turm der Könige

Titel: Der Turm der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nerea Riesco
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erinnert.
    »Weißt du, was da steht?« Abel hatte nicht gemerkt, dass der Mönch, der vor zwei Tagen auch dabei gewesen war, neben ihn getreten war.
    »Ja«, sagte er, stolz auf sein Wissen, und las laut vor:
    1248. Eroberung von Sevilla. Kd2++
    1262. Eroberung von Niebla. Sa4++
    1270. Siebter Kreuzzug. Txf1++
    1271. Krak des Chevaliers. e2
    1279. Belagerung von Algeciras. Lc7++
     
    Christen: 2  Muslime: 3
     
    »Sehr gut!«, rief Bruder Dámaso. »Du bist ein kluges Kerlchen.«
    Der Junge lächelte. Die Tugend der Bescheidenheit war ihm noch unbekannt.
    »Was bedeutet das?«, fragte er.
    »Hinter jeder Jahreszahl steht der Name einer Schlacht und dahinter ein Schachzug, siehst du?« Abel nickte. »Nun, es handelt sich um blutige Schlachten, die irgendjemand in Verbindung zu Schachpartien setzte. Das kann nun leider einen schweren Konflikt nach sich ziehen, der uns alle betrifft.«
    »Und was hätte dieser Jemand davon?«, fragte der Junge bibbernd, denn der Regen hatte seine Kleider durchnässt.
    »Gute Frage! Aber die Antwort ist nicht einfach …«, entgegnete Bruder Dámaso. »Komm, wir trocknen dich ein bisschen ab.«
    Abel sah zu seinem Vater, der erneut in ein Gespräch mit dem marokkanischen Botschafter vertieft war. Der Prior nahm ihn bei der Hand und führte ihn aus dem Raum in eine anliegende Küche. Er rubbelte ihm das Haar mit einem Tuch trocken, legte ihm eine weiche Decke um die Schultern und erwärmte Süßwein, dem er Zimt und ein Eigelb zugab.
    »Trink das, oder du wirst dich erkälten.« Der Junge nahm einen Schluck und spürte, wie eine wohlige Wärme seinen Körper durchströmte. »Tut gut, oder?«
    »Danke, Padre … Ich weiß Ihren Namen nicht mehr, Padre«, murmelte Abel.
    »Du weißt ihn nicht mehr, weil ich ihn dir nicht genannt habe. Ich heiße Dámaso. Du kannst mich Bruder Dámaso nennen.«
    »Ich heiße Abel de Montenegro. Sie können mich Abel nennen«, antwortete der Junge, immer noch das Glas umklammernd. »Und Sie sind für die Getränke zuständig? Könnte ich noch ein bisschen haben?«
    Bruder Dámaso musste lachen.
    »Nein, ich bin nicht für die Getränke zuständig. Ich bin der Prior dieser Gemeinschaft. Darüber hinaus bin ich Schreiber. Ich habe mein Leben den Buchstaben verschrieben. Ich ordne und zerlege sie. Nenn mir zum Beispiel ein schwieriges Wort.«
    »Pretiosen.«
    »Das ist einfach. Steinpore!«
    »Steinpore?«
    »Das ist ein Anagramm«, erklärte Bruder Dámaso. »Ich ändere die Reihenfolge der Buchstaben eines Wortes oder eines Satzes und bilde ein neues Wort oder einen neuen Satz daraus.«
    Abel zählte die Buchstaben des Wortes »Steinpore« und lächelte, als er feststellte, dass alle vorhanden waren.
    »Noch mal«, sagte er begeistert. »Diesmal mit … Regentropfen!«
    »Mal sehen …« Bruder Dámaso wiegte den Kopf hin und her, als ob es ihm sehr schwer falle. »Ich hab’s: Opferten gern.«
    Der Junge musste erneut lachen.
    »Jetzt eins mit meinem Namen: Abel de Montenegro.«
    »Abel de Montenegro, Abel de Montenegro, Abel … Melonen, abgerodet!«
    »Das gefällt mir.«
    »Jetzt du«, sagte Bruder Dámaso. »Bilde ein Anagramm aus meinem Namen: Dámaso.«
    Der Junge dachte eine ganze Weile nach, den Zeigefinger auf die Lippen gelegt, die Augen halbgeschlossen. Plötzlich verzog sich sein Gesicht zu einem Lächeln.
    »So, Adam!«, rief er und trank den letzten Schluss Glühwein, der noch in seinem Glas war.
    »Hervorragend. Du bist ein kluger Junge.« Bruder Dámaso nahm ihm das Glas weg. »Mehr solltest du nicht trinken. Du bist noch sehr jung – in Maßen genossen, sind derlei Getränke gut, im Übermaß jedoch wenden sie sich gegen einen und machen einem das Leben schwer.«
    Aber es war schon zu spät. Der mit Zimt versetzte Süßwein hatte Abel die Zunge gelöst. Er begann ohne Punkt und Komma und in einem dramatischen Vortrag, der eines Cervantes würdig gewesen wäre, von seinen Problemen in der Schule zu erzählen und wie er vergeblich versucht hatte, der Grausamkeit seiner Klassenkameraden zu entgehen. Bruder Dámaso bereitete unterdessen eine Schnitte Brot mit Öl und Zucker.
    »Ich möchte Schatzsucher werden«, erklärte der Junge, »da ist es nicht nötig, weiter zur Schule zu gehen … Und jetzt, wo mein Vater zu Hause das Sagen hat, geh ich auch nicht mehr hin.«
    »So, so, Schatzsucher also. Das ist ein ziemlich gefährlicher Beruf, falls du das nicht wissen solltest. Kannst du ein Geheimnis für dich behalten?« Der Mönch

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