Der Turm der Seelen
dass es garantiert keinen Grund gäbe, der gegen den Abriss dieses hässlichen Gemäuers spräche – das zufälligerweise auch noch mitten auf dem einzigen direkten Zufahrtsweg zum Bauabschnitt zwei stand. Nur hatte man dabei leider unseren guten Bruder Shelbone vergessen.»
«Er ist mir auf einmal unheimlich sympathisch.»
«Der freundlicherweise darauf hinweist, dass das Gebäude – auch wenn es von begrenztem architektonischem Wert und in der Tat nicht besonders alt ist – durch seinen Rang als historisches Kuriosum sehr wohl erhaltenswert ist.»
«Dagegen ist nichts einzuwenden», sagte Merrily. «Sie hätten ihn eben hinzuziehen sollen, bevor sie angefangen haben zu bauen.»
Charlie beugte sich vor. «Merrily, niemand, der einigermaßen bei Verstand ist, zieht David Shelbone hinzu. Sie beten einfach, dass er gerade anderweitig beschäftigt ist, und ziehen ihr Ding durch. Was das kostet, wenn Bruder Shelbone beteiligt ist! – Zeit, Geld und vor allem viele, viele Nerven.»
«Also hat er diese Barnchurch unter Denkmalsschutz gestellt. Kann er das denn alleine entscheiden?»
«Er schlägt einfach vor, dass ein Gebäude auf seine Denkmalswürdigkeit hin geprüft wird, und legt dem Stadtrat ein Exposé samt Empfehlung vor. Na ja, das Barnchurch-Gewerbegebiet gilt als sehr wichtiges Projekt, von dem sich die Stadt erhebliche Einnahmen verspricht, also hat sich der Stadtrat mit einer kleinen Mehrheit gegen die Empfehlung des Beamten von der Denkmalsaufsichtentschieden und erklärt, dass die Scheune plattgemacht werden kann.»
«Ich kann mich gar nicht erinnern, davon etwas in der Zeitung gelesen zu haben.»
Charlie lächelte knapp. «Die Behörden nutzen heutzutage einen gewissen Spielraum, wenn es darum geht, bestimmte Themen aus der öffentlichen Diskussion herauszuhalten.»
«Koscher ist das aber nicht.»
«Aber vollkommen legal. Wie auch immer, David Shelbone ist nicht der Typ, der sich von irgendwelchen belanglosen Zwergtyrannen aus der Kommunalverwaltung schrecken lässt. Also wendet er sich direkt an die Einrichtung, die auf übergeordneter, also nationaler Ebene für die Erhaltung historischer Gebäude zuständig ist – English Heritage –, und
sie
schalten sich ein. Und dann …»
«Wie haben Sie abgestimmt, Charlie? Nur damit ich weiß, woran ich mit Ihnen bin.»
Charlie Howe grinste. «Ich habe mich natürlich enthalten.»
«Ah.»
«Ich dachte einfach, dass ich mich in diesen Sachen nicht gut genug auskenne, um dafür oder dagegen zu stimmen, wissen Sie?»
«Warum fällt es mir bloß so schwer, Ihnen das abzunehmen? Und? Kann English Heritage die Entscheidung des Stadtrats von Hereford außer Kraft setzen?»
«Nicht einfach so. Die ganze Angelegenheit muss jetzt auf Regierungsebene entschieden werden. Es ist nämlich so, verstehen Sie, dass die Bauinvestoren schon gegen Shelbones Antrag, einen Haufen alter Backsteine zum Denkmal zu erklären, Berufung eingelegt hatten. Also wird jetzt ein öffentlicher Untersuchungsausschuss eingesetzt, der unter der Leitung eines Beamten vom Kulturministerium steht – oder dem Ministerium für die Kultur der Zeitverschwendung, wie einer meiner Kollegen gerne sagt.»
«Was wieder eine Menge Zeit kosten wird, vermute ich.»
«Monate, um den Ausschuss zu organisieren, und dann noch ein paar Monate, bis die Entscheidung gefallen ist. Auch wenn sie am Ende grünes Licht geben, wird es die Investoren einen Haufen Geld kosten. Denken Sie mal an all die Verzögerungen und die Verträge, die schon längst mit großen Handelsketten abgeschlossen sind. Es könnte gut sein, dass manche dieser Unternehmen in der Zwischenzeit beschließen, anderswo einen Laden aufzumachen. Es sieht ganz danach aus, als ob der zweite Abschnitt von Barnchurch in einem riesigen finanziellen Debakel enden würde.»
«Und all das wegen eines einzigen Mannes.»
«Ganz recht.»
«Wer sind die Investoren?»
«Eine Firma namens Arrow Valley Commercial Properties.»
Merrily schüttelte den Kopf. «Nie gehört.»
«Das ist eine Tochtergesellschaft von Allan Henry Homes», sagte Charlie. «Können Sie mir folgen?»
Merrily legte ihren Scone auf den Teller.
Charlie Howe hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Sie musterte sein Gesicht, dessen leichte Bräune an poliertes Eibenholz erinnerte. Sie wusste sehr wenig über ihn, weder in seiner Eigenschaft als Stadtrat noch in der als ehemaliger hochgestellter Polizeibeamter, aber wenn sie hätte raten sollen, warum er sich die
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