Der Turm der Seelen

Titel: Der Turm der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman

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Was hat ihn so verändert?»
    «Er hat sich über Stephanie und ihr Benehmen geärgert.»
    «Aber auf dem Video ärgert er sich nicht über Stephanie, er ärgert sich über dich. Und über mich – er fragt sich, was
ich
dort soll. Bin ich als Psychotherapeut für den Fall dabei, dass er durchdreht? Also fragen sich die Geschworenen: Was hat dieser andere Typ da verloren …»
    «Beziehungsweise: Sie werden von dem gerissenen Verteidiger auf diese Frage gebracht.»
    «Inzwischen sehen sie auf dem Video, dass er mit den Ergebnissender Aktion nicht gerade zufrieden ist. Er flippt komplett aus und knallt das Schwefelblech auf den Boden. Und was tun
wir
? Wir spazieren einfach aus dem Haus und überlassen diesen labilen und eindeutig gewaltbereiten Mann …»
    «… mit ein paar Gebetszetteln sich selbst», sagte Merrily bitter.
    «Und dann rufen sie dich vermutlich in den Zeugenstand.»
    «Um das durchzugehen, was sie hartnäckig einen Exorzismus nennen werden. Sie gehen jedes Gebet mit mir durch, Zeile für Zeile, verlangen Erklärungen, Rechtfertigungen. Sie fragen: Was war mit Ihnen los, als Ihnen so schlecht wurde? Warum sind Sie plötzlich herumgerannt und haben alle Türen aufgerissen?»
    «Warum
hast
du das eigentlich getan?»
    «Na ja, das war etwas, was ich eigentlich hätte tun sollen, bevor ich überhaupt angefangen habe. Man soll immer alle Türen öffnen.»
    «Damit sich die bösen Geister nicht verstecken können?»
    «Ich …» Sie starrte auf die Spüle. «So was in der Art.»
    «Also hattest du das Gefühl, dass dort wirklich etwas Böses war?»
    «Kann sein.» Das Wasser war inzwischen ziemlich heiß, aber sie zog ihre Hände trotzdem nicht weg.
    Lol trat einen Schritt zur Seite. «Hattest du das Gefühl oder nicht?»
    «Wie soll ich darauf antworten? Wie soll man das Böse überhaupt definieren?»
    «Nein», sagte Lol. «Du redest hier mit
mir
, nicht mit Stocks Verteidiger.
Ich
bin derjenige, der es wissen will. Hast du etwas Böses wahrgenommen?»
    «Ich … ich habe Schwefel gerochen. Ich hatte Schwefelgeschmack im Mund. Es war so ein kratziges Brennen, bis in meine Kehle hinein, wie eben Schwefel. Ich habe keine Erklärung dafür,aber ich musste würgen. Ein paar Sekunden habe ich sogar geglaubt, ich würde …»
    Auf einmal begann das Wasser ihr die Handrücken zu verbrühen, und mit einem leisen Aufschrei zog sie die Hände zurück. Lol zerrte ein Handtuch vom Haken.
    «… sterben.» Dankbar wickelte sie ihre Hände in das Handtuch. «Das hört sich so richtig idiotisch an, oder? Stell dir mal vor, ich müsste das vor Gericht sagen. Aber … anscheinend ist es dann irgendwie vorbeigegangen, aber ein paar schreckliche Momente lang habe ich wirklich geglaubt, ich würde ersticken oder zumindest in Ohnmacht fallen, bewusstlos werden. Also habe ich in Gedanken ein Gebet gesprochen, das Sankt Patricks Harnisch heißt, das ist so was wie eine spirituelle Selbstverteidigungsstrategie, man umhüllt sich mit der Macht Christi wie mit einem Harnisch. Und dann habe ich die Türen aufgemacht, und es ist … weggegangen. Anschließend habe ich mich irgendwie zusammengerissen und weitergemacht. Wie würden dein Psychologe und dein agnostischer Verteidiger darauf wohl reagieren, was meinst du?»
    Lol antwortete nicht. Er hielt ihre Hände, die immer noch mit dem Handtuch umwickelt waren.
    «Los, machen wir weiter!» Ihre Stimme klang jämmerlich. «Die Verhandlung ist noch nicht zu Ende.»
    Draußen knirschten Reifen auf dem Weg. Sophie?
    Lol ließ ihre Hände los. Er stand in seinem altvertrauten Alien-Sweatshirt vor ihr und betrachtete sie mit seinem altvertrauten Hundeblick durch seine Nickelbrille. Aber dieser Lol kannte sich jetzt mit Psychologie aus.
    «Sie werden mich auseinandernehmen, stimmt’s?», sagte Merrily. «Und sie werden ihr ganzes Arsenal an wissenschaftlicher Beweisführung, Psychologie, Skeptizismus und Zynismus auffahren. Ich werde …»
    «Nicht», sagte er. «Es tut mir leid. Wir hätten gar nicht erst damit anfangen sollen. Es kann schließlich sein, dass es überhaupt nicht so weit kommt.» Er folgte ihr zur Tür. «Ich habe nur den Advocatus Diaboli gespielt.»
    Sie fuhr zu ihm herum und starrte ihn an, und ihm wurde bewusst, was er gerade gesagt hatte. Er lächelte kläglich und zog dabei die Augenbrauen bis über den Brillenrand.
    «Also wirklich», murmelte er.
    «Soll in diesem Prozess wirklich über zweitausend Jahre Exorzismus geurteilt