Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Turm der Seelen

Der Turm der Seelen

Titel: Der Turm der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
Vom Netzwerk:
hat.»
    «Ja», sagte Fred Potter. «Das ist etwas ganz anderes. Sagen Sie, wäre es in Ordnung, wenn ich Sie wieder anrufe, falls ich   … falls Sie   …?»
    «Ja, klar.»
    Sie gab ihm ihre Handynummer. Das tat sie nur sehr selten. Es lag an diesen Worten, die er da gesagt hatte:
als müsste ich sie mit mir rumschleppen
.

29   Die Plagen des Frome-Tals
    Auch aus der Nähe sah es so aus, als zerschnitte der Rollstuhl bei seiner Fahrt durch das Gestrüpp ganz einfach die Dornenranken, als wäre er Boudiccas legendärer Streitwagen mit den Säbelmessern in den Radachsen.
    Tatsächlich wusste Isabel, wo der Pfad von dem überwucherten Friedhof durch das Gebüsch bis zum Ufer des Frome führte. Als sie den Rollstuhl anhielt, hatte sie den Fluss zu Füßen. Er glänzte matt wie Rauchglas.
    «Jetzt sieh dir das an», sagte sie verächtlich. «Keine Felsen, keine Stromschnellen. Schien nach Wales genau das Richtige zu sein. Schön langweilig. Kein historischer Ballast, verstehst du? Keine Ruinen, keine Megalithanlagen. Eigentlich überhaupt keine Geschichte, wenn man mal vom Hopfenanbau absieht.»
    Sie trug ein kurzärmliges Sommertop mit großen goldfarbenen Blumen und Cordjeans. In ihrem Haar waren bernsteinfarbene Strähnchen. Ein dünnes, graues Schultertuch lag gefaltet auf ihrem Schoß.
    «Es war perfekt», sagte sie. «Jedenfalls perfekt für uns. Und jetzt? Jetzt ist überall Blut.»
    «Überall?»
    «Noch nicht.»
    «Was meinst du damit?
    Isabel schüttelte den Kopf. Anscheinend hatte sie den Pfarrer auf Besuch in die entfernteste seiner vier Gemeinden geschickt, sie lag Richtung Norden bei Ledbury. Der Missionar betreut seine Schäfchen.
    «Simon hat angefangen Trübsal zu blasen, verstehst du? Er kann gefährlich werden, wenn er Trübsal bläst.» Sie sah zu ihm auf.
‹Willst Du wirklich, dass die Kirche von Politikern oder von sonst welchen Leuten geführt wird, denen sie in Wahrheit einen Scheiß bedeutet?›
Das gefällt mir. Zeit, dass Ihm mal jemand die Meinung sagt.»
    Sie hatte natürlich alles belauscht, jedes geflüsterte Wort.
    «Und jetzt schiebst du Simon die ganze Schuld zu. Das werfe ich dir auch nicht vor. Aber es wäre trotzdem fair, daran zu denken, dass er gesagt hat, sie soll zuerst bei ihm vorbeikommen, wenn sie wirklich vorhat, dorthin zu gehen.»
    «Das haben wir auch versucht», sagte Lol tonlos. «Ihr wart nicht zu Hause. Ihr wart zum Einkaufen in Hereford.»
    «Meine Schuld. Er hat Trübsal geblasen, und ich hatte den Eindruck, er stünde kurz davor   … selbst rüberzugehen.»
    «Um die Darre zu exorzieren?»
    «Oder was sonst notwendig gewesen wäre.»
    «Er hat klar genug gesagt, dass seiner Meinung nach überhaupt nichts notwendig war!»
    «Ja, ja», sagte Isabel. «Was er sagt, und was er
denkt
…»
    «Du meinst also», Lol sah verzweifelt in den wolkenlosen Himmel hinauf, «dass er in Wirklichkeit sehr wohl dachte, dass irgendetwas getan werden müsste.»
    «Ich sage nicht,
was
er gedacht hat. Wie gesagt, du kannst mir die Schuld geben. Ich wollte nämlich nicht, dass er dort reingeht. Ich habe ihn nicht daran gehindert, deine Bekannte zu warnen, das war richtig. Aber ich wollte nicht, dass er dort reingeht. Du siehst also   … ich bin schuld.»
    Lol sagte nichts. Isabel rollte sich von der Uferböschung zurück, den Pfad hinauf und bis zum Stamm eines arthritisch wirkenden Apfelbaums.
    «Komisch, oder? Das Ganze mit der Religion? Gottes Wege sind unerforschlich. Was erwarten die Leute von Ihm – soll Er ständig Blitze schleudern oder was? Und dann höre ich dich von der Tür aus um Erleuchtung beten.
‹Findest Du nicht, dass ein paar Sachen so langsam ans Licht kommen sollten?›
Und ich denke, vermutlich muss
ich
es diesmal sein – der unerforschliche Weg. Was für eine verdammte Ehre.»
    Lol schüttelte verwirrt den Kopf. Er hatte nicht verstanden, was sie ihm sagen wollte.
    Isabel hatte die Hände über dem Schultertuch auf ihrem Schoß gefaltet und fixierte ihn mit einem Blick, in dem schonungslose Aufrichtigkeit brannte. Mit einer gewissen Schärfesagte sie: «Zeit, dass wir uns mal in Ruhe unterhalten, oder, mein Freund?»
     
    Sie ließ sich von ihm zurück zum Gartentor des Pfarrhauses schieben und von dort aus auf die Durchgangsstraße. Die Schleierwolken hatten sich in der Hitze aufgelöst, und der Asphalt begann sich aufzuwärmen. Zu beiden Seiten der Straße hatte der Hopfen die hohen Gerüste zugerankt, und überall waren die noch geschlossenen, grünen

Weitere Kostenlose Bücher