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Der Turm der Seelen

Der Turm der Seelen

Titel: Der Turm der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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wie Rassismus nie gefallen. Man hat die Zigeuner einen Haufen heimtückischer Lügner und bösartiger Mörder genannt, und keiner hat sich auf einen gestürzt, weil das keine politisch korrekte Ausdrucksweise war.
‹Schmeißt sie raus!› ,
hat er gebrüllt.
‹Wir müssen diesen Abschaum von unseren Höfen vertreiben!› »
    «Das hat er gesagt? So kurz nach dem Krieg? Was war mit demHolocaust? Mit all den Zigeunern, die in die Todeslager geschickt wurden? War das nicht noch in ganz frischer Erinnerung?»
    «Wenn man meiner Mom zuhört, Lol, hatten die Leute bloß den Krieg selbst in frischer Erinnerung und die Erleichterung, die es bedeutet hat, als er vorbei war. Möglicherweise haben sie damals auch noch nicht gewusst, welche riesigen Ausmaße der Holocaust hatte. Perry-Jones jedenfalls hat damals für den Bezirksrat kandidiert und strebte eine Karriere als Parlamentarier an, und er hatte ziemlich viel Unterstützung, als er die Zigeuner für alle möglichen Probleme verantwortlich machte. Viele Menschen haben unwillkürlich Angst vor allem, was sie nicht kennen. Und keiner kennt das Volk der Roma wirklich, abgesehen von den Roma selbst. Das ist bis heute so.»
    Lol dachte daran, dass Al Boswell damals zu den Roma-Hopfenpflückern in Knight’s Frome gehört hatte, und fragte sich, wie er es schaffte, sein Bier in demselben Pub wie Oliver Perry-Jones zu trinken.
Wir wollen einfach Konflikte vermeiden
, hatte Al gesagt, und er selbst war dafür der lebende Beweis.
    Isabel erklärte, wie Perry-Jones damals dem alten Lake – also Conrads Vater – damit in den Ohren gelegen hatte, die Zigeuner ein für alle Mal aus Knight’s Frome wegzuschicken. In den Neunzehnhundertvierzigern und fünfzigern besaßen die Lakes die beiden größten Bauernhöfe im Tal.
    «Aber der alte Lake sagte, die Zigeuner seien gute Arbeiter und alles andere interessiere ihn nicht. – Es war übrigens einer von
seinen
Jungs, den man tot aus dem Frome gefischt hatte.»
    «Aber wenn es keine Beweise gab   …»
    «Es gab keinen einzigen. Aber dann ist der alte Lake gestorben, und Conrad hat sein Erbe angetreten. Und Conrad war sehr ehrgeizig. Er ist es angegangen wie ein Industriemagnat, hat jeden Quadratmeter Land gekauft, den er bekommen konnte, bis ihm schließlich beinahe ganz Knight’s Frome gehörte. Noch dazu warer ungefähr im gleichen Alter wie Perry-Jones und eng mit ihm befreundet, und Perry-Jones saß im Gemeinderat und hat für Conrad die Räder geschmiert. Und dann   … na ja, als Erstes hat Conrad die Bezahlung der Zigeuner runtergesetzt, weil er hoffte, damit wäre er sie los. Hat aber nicht funktioniert; sie kamen weiter zur Ernte. Sie waren zwar gekränkt und sauer, aber sie kamen wieder. Ihre Loyalität allerdings hatte er verspielt, es kam viel häufiger zu Diebstählen und Wilderei auf Conrads Land – das soll sich übrigens auch auf seine Frau bezogen haben, erzählen die Leute.»
    Lol hörte auf zu schieben. Sie standen auf dem Scheitel einer Anhöhe, und das Land vor ihnen senkte sich in einem weiten Panorama mit niedrigen Hügeln und Wäldchen Richtung Hereford.
    «Seine Frau?»
    Isabel warf ihm über die Schulter einen Blick zu. «Hat dir das noch keiner erzählt?»
    Er schüttelte den Kopf, und Isabel lächelte.
    «Da ging es um seine erste Frau, nicht um Adams Mutter. Sie hieß Caroline und war eine richtig gute Partie – eine hochwohlgeborene Schönheit, der Augapfel ihres Vaters, des Earls von Soundso. Tja, und dann war sie eines Tages einfach weg. Verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt. Und es hat
niemals
eine Erklärung dafür gegeben. Nun ja, die Polizei wurde nicht eingeschaltet, und das muss bedeuten, dass Conrad wusste, wo sie war, es aber nicht mit seinem Stolz vereinbaren konnte, das zuzugeben. Aber das Ganze war mitten in der Pflücksaison passiert, und es gingen irgendwelche Gerüchte um, dass sie von den Zigeunern verhext worden war – verführt, entführt, weggezaubert. So was machen Zigeuner schließlich immer, oder nicht? Conrad hat die Sache mit keiner Silbe erwähnt, aber damit hatte es sich hier für die Roma   … und genauso für die Tinker und so weiter. Conrads Verwalter hat ihnen gesagt, sie sollen ihr Geld nehmen, sich fortscheren und sich nie mehr blicken lassen.»
    Lol schob den Rollstuhl auf eine Ausweichstelle unten an der Straße und setzte sich vor Isabel auf den Grünstreifen. «Wann war das?»
    «Oh   … so ungefähr Anfang der Sechziger? Die ganze Wahrheit hört man

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