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Der Turm der Seelen

Der Turm der Seelen

Titel: Der Turm der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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  …»
    «Wissen Sie denn von einem Zigeuner, der das tut?», sagte Sally.
    «Ich weiß von
einer Person
, die es versucht. Eine Person, die behauptet, ihr Vater sei Zigeuner.»
    «Ein
Poshrat
?», fragte Al Boswell.
    «Klingt irgendwie passend.»
    «Ein Halbblut. Ist das dieselbe Person, die auf Reichtum aus ist?»
    «Die auf noch mehr Reichtum aus ist, um genau zu sein. Und diesen Reichtum zu wahren, führt dazu, dass jemand anders geschädigt wird. Sogar eine ganze Familie.»
    «Sie sollten mit dieser Person nichts zu tun haben», sagte Al.
    «Aber das ist mein Job, Mr.   Boswell.»
    Seine Miene wirkte unter dem milchigen Mondlicht und im matten Kerzenschein beinahe maskenhaft ausdruckslos. «Was ist denn an irgendeinem verdammten Job so dermaßen wichtig?»
    «Das ist so ein
Gaujo -Ding
», sagte Lol.
    «Schwarze Magie», sagte Al knapp. «Die Toten wachrufen, um einer anderen Person zu schaden oder Reichtum zu erlangen – das sind die Schwarzen Künste. Und davon abgesehen lassenSie sich gesagt sein, dass ein traditionsbewusster Rom mit solchen Dummheiten ganz bestimmt nichts zu tun haben will.»
    «Gibt es denn keine bösartigen Roma?», fragte Lol.
    «Du hast es noch nicht ganz verstanden, Junge: Roma respektieren ihre Ahnen und suchen manchmal auch Rat bei ihnen. Aber sie lassen die Toten in Frieden. Die meisten von uns vermeiden es nach Möglichkeit, einen Toten anzufassen. Das macht uns
Angst
.» Er beugte sich ins Kerzenlicht zu Merrily vor, als wolle er sicher sein, dass sie seine Besorgnis registrierte. «Hören Sie,
Drukerimaskri
, ich gebe Ihnen einen Rat – und der betrifft auch diese andere Sache, die Sache in der Hopfendarre   –, ich rate Ihnen wirklich, niemals den Toten zu vertrauen.»
    Mitten in die Stille hinein klingelte in Merrilys Tasche das Handy. Sie schrak zusammen, nahm jedoch den Anruf nicht an. «Sprechen Sie weiter», sagte sie zu Al.
    Das Telefon klingelte weiter. Al warf einen nervösen Blick auf die Tasche, als fürchte er, mit diesem Anruf würde sich ein Geist aus dem Jenseits zu Wort melden.
    «Ich kann drangehen, wenn du willst», sagte Lol. Merrily nickte dankbar, fischte in der Tasche nach dem Handy und gab es Lol, der es mit zum Zaun nahm.
    «Wir haben da ein Wort», sagte Al, und dann flüsterte er:
« Mulo
. Das ist das Romani-Wort für Geist. Das gleiche Wort   … also dieses Wort wird auch für Vampire benutzt: für die lebenden Toten.»
    Schweigend beobachtete Sally Boswell das melodramatische Verhalten ihres Mannes. In ihrer Miene schien ein leicht sarkastischer Zug zu liegen, doch ihr Gesicht war noch blasser als der Mond.
    «Es geht darum», sagte Al, «dass wir zwischen Geistern und lebenden Toten keinen großen Unterschied sehen.»
    Merrily wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte. Mit irgendeinerhirnverbrannten Bemerkung darüber, dass nicht alle Geister auch Blutsauger waren?
    «Ich spreche hier über unsere Toten.
Ihre
Toten stören uns nicht – wir übernachten zum Beispiel ständig auf euren Friedhöfen. Wir glauben, dass die toten Roma   … wir glauben nicht, dass sie jemals grundlos zurückkehren. Und sie saugen einen aus. Sie rauben einem die Lebensenergie. Sie hängen sich so lange an einen, bis nur noch eine leere Hülle übrig ist. Wir fürchten uns sehr vor der Macht,
Drukerimaskri
, mit der unsere Toten Rache nehmen.»
    Sie verstand nicht, was er ihr damit mitteilen wollte.
    Lol kam zurück, setzte sich, sagte aber nichts. Nervös trank Merrily noch einen Schluck von dem Hopfen-Brennnessel-Getränk. Mit einem Mal lag knisternde Spannung in der Nacht.
    «Ganz gleich, wer da eben angerufen hat», sagte Sally zu Lol. «Sie sollten es ihr sagen. Wir lassen Sie beide gern allein.»
    «Nein, schon gut. Es ist kein großes Geheimnis.» Lol reichte Merrily das Handy über den Tisch zurück. «Das war Sophie. Die Polizei versucht dich zu erreichen.»
    Merrily atmete tief ein. Sie dachte an Amy Shelbone. Und daran, dass David Shelbone nicht ans Telefon gegangen war.
    «In dem Untersuchungsgefängnis in Shrewsbury, in das Gerard Stock gebracht wurde, hat es einen Vorfall gegeben. Er   … mmh   …» Lol räusperte sich. «Er hat sich erhängt.»

35   Kein Grund mehr, sich zurückzuhalten
    Das gewendete Heu sah aus wie ein Feld voller Apfelstrudel, der unter dem Mond gebacken wurde. Merrily stand auf dem harten Sandweg, der unterhalb von Profs Cottage über die Wiese führte. Das Handy lag feucht an ihrem Ohr. Sie rauchte.
    Es war so leise

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