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Der Turm der Seelen

Der Turm der Seelen

Titel: Der Turm der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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glaube, er hatte einfach ein bisschen zu viel getrunken.»
    «Es ging doch darum, dass man den Toten nicht vertrauen soll, oder?»
    «Er hat über die Toten der Zigeuner gesprochen. Roma-Geister. Er nannte sie
Mulo
. Er sagte, Zigeuner fürchten die Geister ihrer Toten, obwohl ihnen
unsere
Toten so gleichgültig sind wie nur was. Ich fand das nicht besonders logisch. Aber was verstehe
ich
schon davon?»
    «Hat er auch die Gegenwart eines Geistes in der Hopfendarre erwähnt?»
    «Nur flüchtig.» Sie betrat den Fußweg auf der anderen Seite der Brücke. «Aber das spielt jetzt auch keine Rolle mehr, oder? Es gibt keinen Prozess mehr, bei dem irgendetwas erklärt werden müsste. Nur eine amtliche Untersuchung.»
    Lol folgte ihr. «Und dich gibt es auch noch. Wenn du keine Erklärung dafür findest, was dort passiert ist, wirst du nie mehr Vertrauen in deinen Job haben können, oder?»
    «Klar. Außerdem hätte ich mich viel lieber im Zeugenstand auseinandernehmen und mir vorwerfen lassen, als Exorzistin irgendeinen läppischen Mittelalter-Schwindel zu zelebrieren, als mit Stocks Selbstmord zurechtkommen zu müssen.» Sie wartetebei der ersten Pappel auf ihn. Das Mondlicht lag auf ihrem Gesicht und malte Schatten unter ihre Augen. «Aber stimmt das überhaupt? Bin ich nicht vielleicht heimlich froh über seinen Tod, weil er mich schon einmal in die Falle gelockt hatte und es vermutlich wieder getan hätte?»
    «Du gehörst nicht zu den Leuten, die sich über den Tod irgendeines anderen freuen können.»
    «Als Pfarrerin.»
    «Nicht einmal als ganz gewöhnlicher Mensch.»
    «Weißt du   … irgendwie hört man auf, ein Mensch zu sein, wenn man in den Kirchendienst eintritt», sagte Merrily. «Man muss dann nämlich den
Gefühlsverzicht
lernen.»
    Es wurde so still, dass sie den Frome glucksen hörten.
    «Oh», sagte Lol.
    «Und
neue Ziele wählen

    «Mist», sagte Lol.
    «Aber die Melodie ist schön», sagte Merrily.
     
    Sie standen beide mit dem Rücken zur Haustür, also gab es kein Entkommen. Und obwohl sie beide schon mittleren Alters waren, wirkten sie sehr kräftig. Sie war ein bisschen pummelig und er groß und dünn, und auch wenn er nicht besonders gesund aussah, wirkte er verzweifelt genug, um jemandem etwas anzutun.
    Zum Beispiel jemandem, der wissen könnte, wo seine Tochter war, es ihm aber nicht sagen wollte.
    «Ehrlich, ich schwör’s bei Gott», sagte Jane ängstlich. «Wir wussten nicht mal, dass sie vermisst wird. Wir sind schließlich hergekommen, weil wir sie
besuchen
wollten.»
    Sie hatte Gott als Gewährsmann genannt, weil es hier so aussah, als könnte das etwas nützen. Es war viel zu hell in dem Zimmer, in dessen Deckenlampe mehrere Birnen mit hoherWattzahl brannten. Über dem Sims des gasbetriebenen Kamins hing ein hölzernes Kruzifix und an den Wänden lauter grässliche religiöse Bilder von einem dieser krankhaft pedantischen Präraffaeliten, die glaubten, man müsse jeden Grashalm einzeln malen.
    «Ich lüge nicht», sagte Jane. «Meine Mom ist Pfarrerin. Sie hat mir beigebracht, nicht zu lügen, okay?»
    «Also weiß deine Mutter, dass du hier bist, nehme ich an», sagte Mr.   Shelbone. Seine Stimme war kraftlos und zurückhaltend, und er tat Jane beinahe leid. Es war klar, dass seine Frau hier die Hosen anhatte.
    «Natürlich weiß sie es nicht», giftete Mrs.   Shelbone. «Ihre Mutter scheint ohnehin sehr wenig von dem zu wissen, was da vor sich geht.»
    Auf diese Beleidigung ging Jane nicht ein. «Nein, tut sie auch nicht. Aber nur, weil ich ihr nichts erzählt habe, weil ich nämlich dachte, es gäbe nichts, über das man sich aufregen müsste, aber jetzt weiß ich, dass ich mich geirrt habe, und will es wiedergutmachen.» Sie holte tief Luft.
    «Und warum sollten wir dir glauben?», fragte Mrs.   Shelbone. «Woher sollen wir wissen, dass du dich nicht einfach bloß am Unglück unserer Tochter weiden willst?»
    «Das ist Unsinn. Jane will wirklich nur helfen.» Eirions walisischer Akzent war deutlich zu hören. «Das ist alles, und sie will herausfinden, was eigentlich vor sich geht.»
    «Und was», sagte Mr.   Shelbone,
« könnte
vor sich gehen, eurer Meinung nach?»
    Jane schluckte. Es war eine Sache, Amy zu erzählen, was für ein psychotisches Miststück Layla Riddock war, aber es war etwas ganz anderes, das ihren Eltern zu erzählen, wenn Amy nicht da war. Das verstieß nach Janes Empfinden irgendwie gegen eine Art Ehrenkodex. Man verpetzte niemanden, bevor man nicht

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