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Der Turm der Seelen

Der Turm der Seelen

Titel: Der Turm der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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und DCI Annie Howes Stimme so deutlich und klar und amtlich, dass man glauben konnte, sie wäre im gesamten Tal zu hören.
    «Es ist einfacher für sie, es im Untersuchungsgefängnis zu machen», erklärte sie, als ginge es um die Benutzung eines Waschsalons oder so. «Dort gibt es weniger individuelle Haftauflagen. Und nachdem sie noch nicht verurteilt sind, müssen sie natürlich auch keine Häftlingskleidung tragen.»
    Der Vollmond, dachte Merrily außer sich. Sie war mit Lol den ganzen Weg vom Hopfenmuseum zurückgelaufen, bevor sie sich imstande fühlte, bei der Polizei von Hereford anzurufen.
Warum überwachen sie die Leute bei Vollmond nicht besser, verdammt?
    «Leider kommt so etwas gar nicht so selten vor», sagte Annie Howe. «Untersuchungshäftlinge leiden ganz besonders schwer unter Einsamkeit und Verzweiflung. Aber bei einem Mann von Stocks Intelligenz und Belastbarkeit hätte ich auf keinen Fall mit dieser Reaktion gerechnet, und ich frage mich, was ihn dazu getrieben hat. Ist ihm plötzlich die Ungeheuerlichkeit seiner Tat klar geworden? War es Reue? Oder hat irgendetwas anderes seine Gefühlslage verändert?» Bedeutungsvolle Pause. «Was glauben
Sie
, Mrs.   Watkins?»
    Merrily dachte daran, wie sie und Lol versucht hatten, sich ein Bild von Gerard Stocks Gemütszustand zu machen. Howes Anspielungen gefielen ihr nicht, doch sie ging nicht weiter darauf ein.
    «Wie hat er es getan?»
    «Mit seinem Hemd», sagte Annie Howe. «Das Hemd war zerrissen und feucht – er hat darauf uriniert und es fest zusammengedreht.»
    «Also kein Hilferuf», sagte Merrily mechanisch.
    Sein weißes Hemd. Das Weiß der Unschuld. Das Weiß der Engel. Da draußen in der unendlichen Dunkelheit drehte sich GerardStocks schwerer Körper eine Handbreit über dem Boden langsam um sich selbst.
«Sie haben doch keine Ahnung von der ganzen Materie, verdammt. Mit Ihnen habe ich nur meine Zeit verschwendet, Merrily. Gehen Sie.»
    «Ich fühle mich verpflichtet, Sie zu warnen», sagte Howe. «Die Presse hat jetzt keinen Grund mehr, sich zurückzuhalten. Es wird keinen Prozess geben, nur eine amtliche Untersuchung der Todesursache und so weiter. Die Medien werden sich sofort darauf stürzen. Verstehen Sie, was ich meine?»
    Merrily sagte nichts. «Es bedeutet, dass sie den Exorzismus voll ausschlachten werden», sagte Howe. «Sie können schreiben, was sie wollen. Ich kann sie nicht daran hindern.»
    Selbst wenn du wolltest.
    «Und es bedeutet natürlich auch, dass sie hinter Ihnen her sein werden, Mrs.   Watkins, falls sie sich nicht schon auf die Suche gemacht haben.»
    «Ich gehe davon aus, dass Sie ihnen eine komplette Personenbeschreibung geliefert haben», sagte Merrily. «Damit sie mich auch ja nicht übersehen.»
    Im hellen Licht des Vollmondes waren alle Formen scharf umrissen: die Heuballen, eine Reihe anmutiger Pappeln und Lol, der bewegungslos auf seine Turnschuhe hinunterstarrte.
    «Ich sollte jetzt mal etwas schlafen», sagte Howe. «Sie haben ja vermutlich auch ein paar ziemlich stressige Tage hinter sich.»
    Immerhin sagte sie nicht:
Aber das ist überhaupt nichts im Vergleich zu dem, was Ihnen noch bevorsteht
.
     
    Entsetzt fuhr Eirion auf und blickte in dem Speicherzimmer herum, das von milchigem Mondlicht erhellt wurde. «Oh nein, oneinonein!» Er sprang aus dem Bett und rannte ans Fenster. «Jetzt sieh dir das an!»
    «Was denn?»
    «Es ist
dunkel
, verdammt. Es ist garantiert schon nach
zehn

    Jane knipste das Licht an. «Fünf nach. Keine Aufregung.» Sie betrachtete ihn vom Kopf bis zu den nackten Zehen. Sie lächelte. «Der braucht aber nicht lange, um wieder zu schrumpfen, was?»
    «Jane, die bringen mich um!»
    «So schlimm wird’s schon nicht werden.» Der Mondschein beleuchtete das gelbe Rechteck und das blaue Quadrat der Mondrian-Wände, und Jane seufzte irgendwie glückselig. «Irene, ist das Leben nicht manchmal   … echt richtig gut, trotz allem?»
    «Es   …» Eirion kam zum Bett zurück, setzte sich und strich ihr zärtlich übers Haar. «Na ja. Ja. Aber es hat auch immer eine unberechenbare Seite. Zum Beispiel, dass wir jetzt eingeschlafen sind. Wir wollten doch hinterher nicht einschlafen, Jane.»
    «Das kann eben passieren.» Jane zuckte wissend mit den Schultern. «Kommt vom Abklingen der sexuellen Erregung.»
    «Sogar wenn ich jetzt sofort losfahre, bin ich erst mitten in der Nacht dort.»
    «Dann fahr doch nicht.»
    «Und ich bin ausgesperrt.»
    «Du hast doch einen

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