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Der Turm der Seelen

Der Turm der Seelen

Titel: Der Turm der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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haben musste.
    Merrily legte ihren Priesterkragen an.
    Ellis hatte die Grenze weit überschritten. Das würde sie selbst niemals tun. Abgesehen davon war es nicht an dem jeweiligen Pfarrer zu entscheiden, wer tatsächlich besessen, wer fehlgeleitet und wer dabei war, ihnen etwas vorzuschwindeln.
    Sie kniete sich neben ihren Schreibtisch vors Fenster, faltete die Hände und lehnte die Stirn an die Daumenrücken. Mit geschlossenen Augen befreite sie sich von allen Gedanken. Das Sonnenlicht, das auf ihre Augenlider fiel, gab ihr das Gefühl, in einem orangefarbenen Glühen zu baden. Es fühlte sich gut an.
    Zu gut. Merrily rutschte in den Schatten vor die weißgestrichene Wand aus vierhundert Jahre altem Lehm und Flechtwerk und betete um Erkenntnis.
    Seit ihr Dennis Beckett von Amy Shelbone erzählt hatte, ging ihr immer wieder der Moment durch den Kopf, in dem sie selbst sich in der Kirche übergeben hatte – in ihrer eigenen Kirche, und zwar an dem nervenaufreibenden Abend des Gottesdienstes, mit dem sie als Pfarramtsvertreterin eingeführt werden sollte. Kirchen waren machtvolle Orte; manchmal verstärkten sie Gefühle, und es war leicht möglich, dass sie bei Menschen, die Stress unterdrückten, Brechreiz auslösten. So etwas deutete nicht unbedingt darauf hin, dass ein Dämon den Körper besetzt hatte.
    Allerdings war es während der Kommunion passiert, und so eine dramatische Abwehrreaktion in der Gegenwart des Sakramentes musste   … genau betrachtet werden.
    Ein paar Minuten später nahm Merrily das Telefon und wählte die Nummer der Shelbones, die sie von Dennis Beckett bekommen hatte.
    Niemand hob ab.

3   Stock
    Als Lol Gerard Stock das erste Mal sah, dachte er, dieser Typ müsse auf dem Anwesen eine gewisse Funktion haben, vielleicht war er ja der frühere Besitzer des Cottages, inklusive der Stallungen und der Schweinekoben.
    Vermutlich dachte er das, weil Gerard Stock derartig
umherstolzierte
.
    Lol glaubte nicht, dass ihm dieses Wort beim Anblick irgendeines Menschen schon einmal so spontan eingefallen war. Stocks Gang wirkte, als müsse er sich durch eine dichte Menge unwichtiger Leute schieben, weil dort drüben jemand stand, mit dem er etwas höchst Bedeutsames zu besprechen hatte. Das sah merkwürdig aus, denn er war ganz allein auf dem Pfad über die Heuwiese. Keine Büsche, keine Brennnesseln, keine Kühe, nichts als saftiges, kniehohes Gras in einem sonnendurchglühten Tal.
    Es war halb zwölf Uhr vormittags, und Stock kam in ihre Richtung.
    Prof war bei seinem Anblick nicht gerade begeistert. «Dieses Scheiß-Landleben. Da hat man ja in Notting Hill mehr Privatsphäre. Dieser Bastard muss immer alles wissen. Er hat dich bestimmt hier herumlaufen sehen und denkt jetzt, du könntest irgendein Mr.   Wichtig sein.»
    «Dann hat er aber garantiert mein Auto nicht bemerkt.»
    Lol stand mit einem Becher Tee und einem Toast am Fenster des Studio-Vorraums, der zugleich als Küche diente. Früher war das hier ein Schweinekoben gewesen, und heute sah es womöglich noch mehr nach einem aus.
    «Dieser Typ   …» Prof leerte seinen Teebecher und stellte ihn zu all dem anderen schmutzigen Geschirr neben der Spüle. «Ich frage mich wirklich, ob ich mich in meinem Alter noch mit solchen Typen abgeben muss. Solche Kerle findet man in der Szeneüberall. Sie kennen
jeden
– haben mit Jerry Garcia gekifft, waren mit Dylan auf Tournee, haben Maultrommel bei dem Titel gespielt, der dann doch nicht auf das
Blood on the Tracks -Album
gekommen ist   … und das ist natürlich der Grund dafür, dass ihr Name tragischerweise nicht auf der Plattenhülle erscheint. Solche Typen   …», Prof strich sich über sein Stoppelkinn, «solche Typen sind genau die Sorte von Losern, denen ich nie mehr begegnen wollte, als ich hier in die Wildnis gezogen bin.»
    «Und wer genau ist das, Prof?» Lol sah, dass der Mann kaum größer war als er selbst, jedoch viel breiter und muskulöser. Ein Mann, der umherstolzierte, als würde ihm der ganze Laden hier gehören. Er ging langsam. Sie sollten bemerken, dass er kam.
    Prof schnaubte. «Zur Strafe für meine zahlreichen Sünden ist er mein nächster Nachbar. Er wohnt mit seiner Frau, die wirklich peinlich viel jünger ist, in einer umgebauten Hopfendarre irgendwo da drüben. Ich bin nie dort gewesen. Er kommt zwei oder drei Mal die Woche rüber, für den Fall, dass sich gerade Knopfler oder Sting bei mir rumtreiben.»
    «Eine   … Hopfendarre.» Lol war mit dem Gedanken an eine

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