Der Turm der Seelen
zusammen zurückgehen.»
Simon verschwand im Flur, und Lol ging zur Spüle und ließ heißes Wasser für den Abwasch einlaufen. Als er sich nach einem Geschirrtuch umdrehte, sah er, dass Gerard Stock ihn mit zusammengekniffenen Augen nachdenklich betrachtete, als versuchte er sich an den Namen eines bestimmten Singvogels im Garten zu erinnern.
«Du warst in einer Band? Laurence … Robertson …?»
«Robinson», sagte Lol. «Lol, üblicherweise. Aber ich glaube nicht, dass Sie …»
«Ah», sagte Stock triumphierend.
«Hazey Jane.»
Jetzt war es an Lol, überrascht zu sein.
«Ihr habt dieses Nick-Drake-artige Zeug gespielt», erinnerte sich Stock, «und zwar lange, bevor er wiederentdeckt wurde. Schwebende Atmosphäre und Fingerpicking, während der Rest der Welt auf Synthesizern rumgedröhnt hat. Das war echt mutig.»
«Hat uns aber nicht weitergebracht», sagte Lol leichthin.
«Ihr wart eben zehn Jahre zu früh dran.» Stocks Zähne waren sehr weiß und ebenmäßig – Hollywood-Zähne. Er konnte nicht sein ganzes Leben lang ein Loser gewesen sein. «Und jetzt, wo alle Welt Drake wiederentdeckt, ist es vermutlich zu spät. Das ist ein hartes und undankbares Geschäft, mein Freund. Es ist nicht das Schlechteste, sich daraus zurückzuziehen, selbst wenn man als Psychotherapeut endet.»
«Leider ist schon alle Welt zu derselben Erkenntnis gekommen», sagte Lol. «Scheint mein Schicksal zu sein.»
Dann kam Simon zurück, und Lol begleitete die beiden gemeinsam mit Prof durch den Flur zur Hintertür. Profs Laune besserte sich schlagartig, sobald er Stock von hinten sah. Die Sonne hing wie ein großer, weißer Scheinwerfer über ihnen, die Landschaft vibrierte vor sommerlicher Üppigkeit, überall auf den Wiesen standen Wildblumenteppiche – Mutter Natur schwelgte in all ihrer Pracht.
Prof blieb im Vorgarten stehen und setzte sich seinen Panamahut auf den Kahlkopf. «Hat er dich genervt, Laurence?», fragte er hoffnungsvoll.
«Kann man eigentlich nicht sagen.»
«Lass ihm noch ein bisschen Zeit.» Profs amerikanisches Schlabber- T-Shirt trug die fröhliche Aufschrift
BABES IS ALL
. «Ich wüsste nur zu gern, was er von Simon will. Kommt er dir wie jemand vor, der geistige Absolution sucht?»
Lol lächelte. «Bist du eifersüchtig?»
«Diese Äußerung werde ich mit der Nichtachtung strafen, die sie verdient», sagte Prof.
«Was macht Mr. Stock eigentlich beruflich, das hast du mir immer noch nicht gesagt.»
«Überhaupt nichts! Spaziert herum, als wäre er der verdammte Gutsherr, während seine arme Frau für irgend so eine Zeitarbeitsfirma in Hereford schuftet. Zuerst erbt sie das Haus,und jetzt muss sie auch noch das Geld verdienen, damit sie darin leben können. – Na gut, er war so eine Art freier Publizist und P R-Mann , und darunter kann man ja bekanntermaßen jeden Tag was anderes verstehen. Er hat mir angeboten, sich um meine Öffentlichkeitsarbeit zu kümmern. Da hab ich ihm gesagt: ‹Gerard, jetzt pass mal genau auf: Ich will
keinerlei
Kontakt mit der Öffentlichkeit.›»
Lol sah Stock und Simon nach, die am anderen Ende der Wiese die Brücke über den Frome überquerten. Dort begann die Pappelreihe. Dort war er am Vorabend gewesen. Er erzählte Prof von der Hopfendarre mit dem Märchenburgturm, die er gesehen hatte. Prof nickte.
«Ja, das war vermutlich sein Haus. Die Lage ist nicht gerade top, behauptet Stock, weil das Gebäude auf beiden Seiten von zwei enormen Wellblech-Scheunen eingeschlossen ist. Es ist dieselbe Situation wie hier. Das Land um das Gebäude herum gehört jemand anderem.»
«Wird dort noch Hopfen angebaut?»
«Ich glaube schon.»
«Nur, dass ich dort Hopfengerüste ohne Hopfen gesehen habe – also, ein paar vertrocknete Ranken hingen an den Drähten. Um diese Jahreszeit müsste der Hopfen doch voll ausschlagen, aber es war alles kahl. Verbrannte Erde und leere Gerüste. Es war … deprimierend.»
«Hmm», sagte Prof. «Das war vermutlich die Welke, schätze ich.»
«Was?»
«Verticulum-Welke … nein, das war es nicht, aber so ähnlich heißt es. Das ist diese verheerende Hopfenkrankheit – es ist kein Gegenmittel bekannt. Löscht die gesamte Pflanzung aus, vergiftet die Erde genauso wie Anthrax oder so was, ruiniert die Hopfenbauern. Wenn du darüber was erfahren willst, gehst du am bestenrunter zum Hopfenmuseum an der Hauptstraße.» Prof lächelte. «Dort wird es dir gefallen – und geh auch ins Hinterzimmer.»
«Warum?»
Prof
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