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Der Turm der Seelen

Der Turm der Seelen

Titel: Der Turm der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Runde durchs Dorf gehen würde. Als er weg war, rief Merrily bei Huw Owen drüben in den Brecon Beacons an.
    «Hallo», sagte er. «Ich habe mir schon gedacht, dass Sie dieser Tage mal anrufen. Wir kriegen hier oben ja auch die Zeitung – wenn auch öfter mal einen Tag später. Wie auch immer, sagen Sie gar nichts, das ist mein Rat. Wenn der Verhandlungstermin feststeht, reden wir ausführlicher darüber.»
    «Es wird keine Gerichtsverhandlung geben. Er hat sich erhängt.»
    «Wer?»
    «Stock. In seiner Zelle im Untersuchungsgefängnis.»
    «Das vereinfacht die Lage allerdings erheblich», sagte Huw.
    «Nein, tut es nicht.»
    «Sie kommen ohne Probleme durch die amtliche Untersuchung. Sie sagen dem Gerichtsmediziner einfach, warum jeder Vergleich mit dem Taylor-Fall unangebracht ist.»
    «Nein. Ich meine, ja, das ist alles zu erwarten, und ich bemühe mich, jetzt noch nicht zu viel darüber nachzudenken. Aber damit es noch ein bisschen verwickelter wird, haben mich gut informierte Leute aus Knight’s Frome darauf hingewiesen, dass dort weiterhin ein Problem besteht.»
    «In diesem Darrenhaus?»
    «Und dass der Mord nicht passiert ist, weil Stock in irgendeiner Art besessen war, sondern weil seine Frau besessen war.»
    «Wovon?»
    «In den sechziger Jahren ist dort ein Zigeunermädchen verschwunden. Es gibt Gründe für die Annahme, dass sie in dem Darrenhaus festgehalten wurde und dort entweder erwürgt wurde oder an Schwefeldämpfen erstickt ist, woraufhin ihre Leiche im Trockenofen verbrannt wurde. Was ich Sie fragen wollte, war, ob Sie schon einmal mit dem Roma-Glauben zu tun hatten oder etwas darüber wissen.»
    «Im Besonderen?»
    «Im Besonderen über den
Mulo

    Er sagte nicht, dass er etwas darüber wusste, und auch nicht, dass er nichts darüber wusste. «Wie lange haben Sie Zeit, sich vorzubereiten?»
    Sie sagte es ihm und erwartete, dass er anfangen würde zu lachen.
    Doch das tat er nicht. «Lassen Sie die Finger davon, junge Frau», sagte er. «Nehmen Sie sich einfach ein paar Tage Urlaub. Das ist keine Schande.»

44   Dem Zweiten Tod entgehen
    Ihr Haar war nur etwas mehr als schulterlang, aber sehr üppig, vielleicht auch ein bisschen gekräuselt, ihre Nase leicht gekrümmt, und ihre Lippen waren voll. Die ärmellose weiße Bluse trug sie unter den Brüsten verknotet. Sie hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt und blickte aufwärts. Lächelte in die Sonne – verschlang die Welt.
    Rebekah.
    Das Schwarzweiß-Foto hing an der Wand über einer kleinen Kaminecke im Hinterzimmer. Sie hatte die Welt verschlingen wollen, und dann war sie daran erstickt. Es brach einem das Herz.
    «Das ist aber keins von Lakes Bilder, oder?», fragte Merrily.
    «Gütige Jungfrau, nein», sagte Al. «Das ist die Vergrößerung eines Bildes, das sie an eine von diesen Modezeitschriften geschickt hat, weil sie als Pin-up oder Model Karriere machen wollte. Sie haben das Bild nach ihrem Verschwinden gefunden. Die Familie hat Abzüge machen lassen, die sie verteilen konnten. Sie haben schließlich ihre eigene Suchaktion organisieren müssen.»
    «Das ist unglaublich.»
    «Ach, wissen Sie, wie Sally sagen würde: Damals wurden Angehörige ethnischer Minoritäten nicht als gleichwertig angesehen.» Seinen Augen fehlte an diesem Morgen das alte Funkeln. «Auch nicht, wenn sie schön waren.»
    Das Hinterzimmer des Hopfenmuseums war nicht für das Publikum geöffnet, weil es auch als Werkstatt diente. Es verlief über die gesamte Länge des Hauptgebäudes, und an den beiden Stirnwänden standen Regale voller Werkzeuge, die vermutlich selbst schon Antiquitäten waren. Merrily sah eine bejahrte hölzerne Drechselbank und ein Gestell, auf dem ein Bunsenbrenner an eine Flüssiggasflasche angeschlossen war. Gitarrenteile   – Hälse, Verschalungen, Stege – hingen an den Wänden und von der Decke herab. Und über allem lag ein schwerer Geruch nach Leim und Harz und Holz.
    Und nach Hopfen natürlich. Der Hopfengeruch in diesem Zimmer war unverkennbar.
    Al war mit einer weißen Weste und einem gepunkteten Seidenschal angetan, der, wie sich Merrily aus Kindertagen erinnerte,
Diklo
genannt wurde, und hatte sie mit einer leichten Verbeugung und einem Handkuss begrüßt. Nun lief er in der Werkstatt hin und her, nahm Gitarrenteile von den Haken und legte sie sanft auf den Arbeitstisch. Draußen war Merrily an einem Schild vorbeigekommen, auf dem stand:
MUSEUM HEUTE GANZTÄGIG GESCHLOSSEN
.
    Sie warteten immer noch auf Simon St.  

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