Der Turm der Seelen
fort, «sollte ich jemals herausfinden, dass Sie tatsächlich Geld oder Geschenke oder auch nur Vorteile durch die Fürsprache des Kaisers von Frome beim Polizeipräsidenten erhalten haben – oder dass Ihr alter Kumpel Andy Mumford Ihnen ein paar Bilder und ein Manuskript zugeschoben hat, die er den Smith-Brüdern bei der Verhaftung für den Mord an Stewart Ash abgenommen hat –, sollte ich also jemals so etwas herausfinden, dann werde ich Sie öffentlich aufhängen, und zwarso hoch, dass ich von Ihrer Warte aus dann wirklich unheimlich klein und schmächtig aussehen werde.»
Charlie Howe lächelte, und, wie Lol unendlich erleichtert feststellte, es war kein ganz ungezwungenes Lächeln.
«Dann bin jetzt wohl ich am Zug, Mr. Robinson», sagte er.
Um Viertel vor elf fuhren Merrily und Simon St. John zu Prof Levins Studio, ließen den Volvo auf dem Hinterhof stehen und überquerten die Wiese. Rechts und links lag das abgemähte Heu wie erstarrte Wellen. Hitzedunst hing über den Malverns. Das Frome-Tal erschien Merrily wie ein stickiges, geisterhaftes Niemandsland, in dem das Reale und das Irreale in einem ununterscheidbaren Gewirr zuckender Glieder miteinander rangen.
Sie fürchtete sich.
Es war noch nicht elf Uhr an einem wundervollen Sommermorgen, der Art Morgen, an dem jede Müdigkeit verfliegt, an dem nichts Unheimliches bestehen kann, und doch fürchtete sie sich. Ihr war schlecht, und ihre Kehle fühlte sich trocken und rau an.
Lassen Sie die Finger davon
, hatte Huw Owen gesagt.
Das ist keine Schande.
Das würde vermutlich ihr letzter Exorzimus werden. Im Museum hatte sie ihr leichtes, graues Messgewand angelegt und sich ein Brustkreuz um den Hals gehängt, um ihre Aura zu schützen.
«Ein geweihtes Kreuz erhält sie doch, oder? Die Aura, meine ich.»
«Das glaube ich jedenfalls», sagte Simon. «Genauso wie die Sakramente. Und regelmäßiges Gebet oder die Abendmahlsfeier – hat alles Schutzfunktion.»
Simon lächelte wenig überzeugend, zog aus der Tasche seiner Jeans ein schweres Goldkreuz an einer Kette und hängte es sich um.
«Und was ist mit Al?», fragte Merrily.
«Das bezweifle ich.»
«Wie bitte?»
«Al wird sich nicht um seinen Schutz kümmern.»
«Warum nicht?»
«Weil Zigeuner an das Schicksal glauben, und Al denkt, das hier wäre seins.»
«Das verstehe ich nicht.»
«Oh, ich glaube, Sie verstehen das sehr gut, Merrily.»
Sie waren an der Brücke angekommen, die über den Frome führte. Merrily blieb stehen und sah auf das dunkle Wasser von Lols Fluss hinab. Vermutlich war es ihr in der vergangenen Nacht klar geworden.
«Es geht um das, worüber wir nicht gesprochen haben, oder? Die erste Mrs. Lake.»
«Na bitte, Sie verstehen es doch.»
«Weiß hier eigentlich
jeder
darüber Bescheid?»
«Jeder vermutlich nicht. Aber die Leute aus dem Frome-Tal sind beinahe so wie der Fluss selbst. Verschwiegen. Abgeschirmt.»
«Aber der Name. Sally.»
«Das ist ihr erster Vorname. Sarah Caroline Lake. Sie war natürlich sehr jung, als sie ihn geheiratet hat. Es war nicht unbedingt eine arrangierte Ehe, aber in gewisser Hinsicht kann man schon davon sprechen. Ihr Vater war ziemlich reich, aber nichts im Vergleich zu den großen Lakes. Schwer zu sagen, in welcher Familie das Entsetzen größer war, als sie mit Al weg ist.» Simon befreite seine Kette von einem Zweig, in dem sie sich verfangen hatte. «Bei der Scheidung hat sie sich mit einer sehr niedrigen Summe abfinden lassen – viel niedriger, als jemand in ihrer Position zu erwarten gehabt hätte – und das Geld an ein paar wohltätige Einrichtungen verteilt. Sie fand, das sei die einzige Art, Conrads schmutziges Geld reinzuwaschen.»
«Und als Conrad gestorben ist …»
«Konnten Al und sie zurückkommen.»
«Sie ist die Hopfenfrau.» Dieser Gedanke erfüllte Merrily mit absurder Freude. «Sie hat ihre eigene Geschichte einem Geist angedichtet.»
«Eine sehr schöne Idee, fand ich immer», sagte Simon.
«Ich hatte früher schon mal überlegt, ob das sein kann. Und Al hat es uns auf seine indirekte Art eigentlich ja selbst erzählt.»
«Und jetzt vergessen Sie es am besten wieder, wie wir anderen es auch getan haben.»
«Ja … natürlich.» Sie kamen auf die Pappelreihe zu, und Merrilys Fröhlichkeit versiegte. «Um noch einmal auf Als Schicksal zu kommen … Die Zigeuner haben wirklich geglaubt, dass Lake Rebekah entführt hat, weil ihm die eigene Frau mit einem Roma davongelaufen war.»
«Manche
Weitere Kostenlose Bücher