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Der Turm der Seelen

Der Turm der Seelen

Titel: Der Turm der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Stimme klang mit einem Mal sanft und andächtig. Einen Moment lang dachte Merrily, das Mädchen spräche von der Jungfrau Maria.
    «Ihr?»
    Hinter Amy glühte die Sonnenlampe im Gewächshaus.
    «Justine»
, flüsterte Amy.
    «Justine?»
    In der langsam heraufsteigenden Abendkühle öffnete Amy dieLippen und zitterte. Dieses Zittern war erschreckend, weil es das Mädchen wie eine Welle zu durchlaufen schien. Weil es beinahe wie eine sexuelle Reaktion wirkte.
    Merrily sagte leise: «Wer ist Justine, Amy?»
    Amy verspannte sich. «Nein!»
    «Amy?»
    «Gehen Sie endlich!», schrie Amy. «Hauen Sie endlich
ab
, Lügnerin! Das hier geht Sie nichts an!»
    Als ob sie es schon seit Minuten vorgehabt hätte, schnellte sie plötzlich über den Rasen, knapp an Merrily vorbei, rannte auf die verglaste Veranda, knallte die Tür hinter sich zu, legte den Riegel vor und starrte Merrily durch die Scheibe herausfordernd an. Das arme Mädchen.
     
    Drei Mal versuchte Merrily an diesem Abend, Hazel Shelbone telefonisch zu erreichen. Zwei Mal war besetzt, das dritte Mal nahm niemand ab.
    Als sie nach Hause gekommen war, hatte sie eine Nachricht von Jane auf dem Anrufbeantworter gehabt. Merrily spielte sie mehrfach ab, um herauszubekommen, was ihr Jane da durch die Blume sagen wollte.
    «Also, wir sind angekommen. Alle sind angekommen. Die ganze Familie. Das Haus ist ziemlich groß, so ein altes Bauerngut, nur einen knappen Kilometer vom Meer entfernt. Also, es ist   … tja   … cool. Und die ganze Familie ist hier. Jeder. Also   … gut, ich ruf dich wieder an. Kümmere dich ordentlich um Ethel und   … um dich auch. Nachtnacht, Mom.»
    Hmm. Die ganze Familie?
    Die Schatten der Apfelbäume fielen über den Pfarrhausgarten. Merrily schaltete in ihrem Spülküchenbüro den Computer an, ging ihre Notizen für die Predigt des nächsten Tages durch und druckte sie aus. Es würde die erste Predigt seit   … tja, seit langem sein, die sie dem Thema
Lasset die Kindlein zu mir kommen
widmenwürde. Ein komplexes Problem:
Wie
sollte man Kindern Gott nahebringen? Oder war es langfristig gesehen besser, sie ihren eigenen Weg finden zu lassen?
    Merrily strich einen Gedanken, der Janes Maxime
Jede Art Spiritualität ist besser als gar keine
aufgriff. Das war gefährliches Terrain.
    «Wir haben ihr die Kirche nie aufgedrängt»
, hatte Hazel Shelbone gesagt.
«Wir haben keinem unserer Kinder die Religion aufgezwungen.»
    Das habt ihr garantiert doch getan
, dachte Merrily,
ob es euch nun bewusst war oder nicht.
    Sie erinnerte sich an Hazels Antwort auf die Frage, was in Amy gefahren sein könnte:
«Der Geist eines toten Menschen.»
Und dabei hatte ihre Stimme fest und vollkommen überzeugt geklungen.
    Inzwischen hatte sie eine neue Frage an Hazel:
Wer ist Justine?
    Sie griff nach dem Telefon, und im selben Moment begann der Apparat zu klingeln.
     
    Er sagte, sein Name sei Fred Potter. Der Name hörte sich irgendwie an, als gehöre er einem Mann mittleren Alters, doch seine Stimme klang höchstens nach Anfang zwanzig.
    Er sagte, er arbeite für den freien Nachrichtendienst
Three Counties
, der in Worcester seinen Sitz hatte und die überregionalen Zeitungen mit Nachrichten versorgte. Außerdem sagte er, dass er es bedaure, sie zu stören, doch wie er gehört habe, sei sie die Exorzistin des Countys.
    «Mehr oder weniger», sagte Merrily.
    «Es ist so: Wir haben eine Story verkauft», sagte Fred, «und die würden ein paar Redakteure von Sonntagszeitungen gern mit einem Zitat von Ihnen oder dem Bischof abrunden. Der Bischof ist aber anscheinend nicht zu erreichen.»
    «Lassen Sie mich mal überlegen   … was haben wir? Samstagabend? Da ist er vermutlich in der Disko.»
    « Was?
Oh.» Er lachte. «Hören Sie, Mrs.   Watkins, wenn ichIhnen den Sachverhalt kurz schildere, könnten Sie mir dann vielleicht einen Kommentar dazu geben? Ich muss schnell reagieren, weil samstags ziemlich früh Redaktionsschluss ist.»
    «Dann mal los.»
    «Gut. Da gibt es so einen Typ, der davon überzeugt ist, dass in seinem Haus ein Geist umgeht. Seine Frau und er können keine Nacht mehr ruhig schlafen. Es ist eine alte Hopfendarre, in der ein Mord stattgefunden hat. Und jetzt sagen sie, es gäbe irgendwelche, na ja, Erscheinungen.»
    «Ich verstehe.»
    «Wow», sagte Fred. «Es erstaunt mich immer wieder, wenn Leute wie Sie in so einem Fall
‹Ach so›
und
‹Ich verstehe›
sagen, als wären solche Sachen ganz alltäglich.»
    «Sind sie das nicht?»
    «Also

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